Schweizer Wirtschaft 1990: Zinsbedingte Bremsspuren bei Inlandnachfrage und leicht schwächere Exportkonjunktur
An der Schwelle zum neuen Jahr weist die Schweizer Wirtschaft mit voll ausgelasteten Kapazitäten, einem zunehmenden Personalmangel und steigenden Inflationsraten deutliche Zeichen einer Konjunkturüberhitzung auf. Wegen der zinsbedingten Bremsspuren bei der Binnenkonjunktur als Folge der restriktiven Geldpolitik und etwas geringeren Auftriebsimpulsen beim Export wird sich das gesamtwirtschaftliche Realwachstum 1990 auf rund 2 % abschwächen, im Vergleich zu 3 % im laufenden Jahr.
Weltwirtschaftliche Aussichten trotz einzelner Probleme weiterhin günstig
Obwohl der weltweite Konjunkturaufschwung 1990 bereits ins achte Jahr geht, bleiben die Wirtschaftsaussichten in den meisten westlichen Industrienationen günstig. So haben sich mit den fortschreitenden Liberalisierungs- und Deregulierungsbemühungen auf den Finanzmärkten, den in einigen Ländern vorgenommenen Steuerreformen und der erfolgreicheren internationalen Koordination der Wirtschaftspolitik die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Zudem ist die konjunkturelle Expansion in den meisten Industrieländern immer noch breit auf die Wachstumsträger Konsum, Ausrüstungsinvestitionen und Exporte abgestützt. Die europäischen Industrieländer dürften in den nächsten Jahren überdies vom EG-Binnenmarktprogramm und teilweise auch von den Liberalisierungstendenzen in Osteuropa zusätzliche Wachstumsimpulse erhalten. Damit bleibt das Risiko eines plötzlichen Konjunktureinbruchs begrenzt.
Seit Mitte 1989 zeichnen sich allerdings gewisse Verlangsamungstendenzen ab. Hauptursache dieser Wachstumsabschwächung ist die in den meisten Industrieländern eingeschlagene restriktive Geldpolitik, um der zunehmenden Inflationsgefahr zu begegnen. Deutlich nachgelassen hat die wirtschaftliche Dynamik vor allem in den USA und in Grossbritannien, wo sich neben den Bauinvestitionen auch der private Konsum verlangsamt hat. In Japan und in den kontinentaleuropäischen Volkswirtschaften hat sich der Wachstumsrhythmus dagegen nahezu ungebrochen fortgesetzt. Die unterschiedlichen Wachstumstrends tragen dazu bei, dass sich die seit Jahren bestehenden bedenklichen Ungleichgewichte in den Handels- und Zahlungsbilanzen der grössten Industrieländer auch nächstes Jahr kaum stärker abbauen werden.
1990 wird sich die restriktive Geldpolitik auch in Europa bremsend auf die Entwicklung der Gesamtnachfrage auswirken. In den USA ist dagegen im zweiten Halbjahr 1990 bereits wieder mit einer leichten Belebung zu rechnen. Als Folge der nachgebenden Zinsen wird sich dort vor allem die Bautätigkeit wieder verstärken. Zudem dürfte sich die leicht tiefere Bewertung des Dollars günstig auf die amerikanischen Exporte auswirken. Im Durchschnitt der OECD-Länder ist für 1990 mit einer leichten Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate auf rund 3 % nach etwa 3,5 % in diesem Jahr zu rechnen. Die damit vollzogene Annäherung an den längerfristigen Wachstumspfad wird auch den durch den Nachfrageüberhang verursachten Inflationsauftrieb etwas dämpfen. Die durchschnittliche Inflationsrate der Industrieländer dürfte sich 1990 auf rund 4,5 % zurückbilden (1989: 5,0 %).
Auslandnachfrage als Konjunkturstütze für die Schweiz
Die nach wie vor günstige internationale Konjunkturentwicklung wird sich auf die schweizerische Wirtschaft positiv auswirken. Die Auslandnachfrage, von der seit 1988 die stärksten Wachstumsimpulse ausgehen, wird sich im kommenden Jahr zwar etwas abschwächen, erneut aber massgeblich zur gesamtwirtschaftlichen Expansion in der Schweiz beitragen. Weil der Aufschwung in den Industrieländern weiterhin wesentlich von der Investitionstätigkeit getragen wird, kann davon unsere Exportindustrie überdurchschnittlich stark profitieren. Trotz leichten Verlangsamungstendenzen im 3. Quartal 1989 lagen die Auslandbestellungen in der schweizerischen Maschinenindustrie im Dreivierteljahr 1989 um 18 % über dem Vorjahreswert. Auch der Arbeitsvorrat ist erneut gestiegen. Im Gegensatz zum vergangenen und zum laufenden Jahr, als die Exportnachfrage zusätzlich von der Schwächeneigung des Schweizerfrankens stimuliert wurde, rechnen wir für 1990 mit einer Stabilisierung bzw. einem leichten Aufwärtstrend des realen Frankenkurses. Deshalb dürfte sich das Wachstum der Exporte von Gütern und Dienstleistungen von gut 6 % 1989 auf 4 % im nächsten Jahr abschwächen.
Lohnerhöhungen stimulieren Konsumausgaben
Im Bereich der Inlandnachfrage wird sich der private Konsum weiterhin als stabile Konjunkturstütze erweisen. Obwohl die mittlere Teuerungsrate 1990 deutlich höher sein wird als 1989, wird das real verfügbare Einkommen weiterhin zunehmen. Eine Umfrage der Volkswirtschaftlichen Abteilung der SBG vom November 1989 ergab, dass die Arbeitgeberverbände und die Unternehmen eine durchschnittliche Lohnerhöhung pro Beschäftigten 1990 von rund 5,5 % erwarten. Zur Reallohnsteigerung tragen vor allem der ausgeprägte Arbeitskräftemangel und die gute Ertragslage der Unternehmen bei. Wegen des anhaltenden Beschäftigungswachstums wird die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme sogar um über 6 % zunehmen. Damit dürfte die Zunahme der real verfügbaren Einkommen 1990 etwa gleich hoch ausfallen wie 1989. Auch unter Berücksichtigung der Dämpfungseffekte der höheren Zinsen im Bereich des privaten Konsums (z.B. höhere Mietausgaben) dürfte sich die reale Zuwachsrate der Konsumausgaben 1990 nur wenig abschwächen.
Zinsanstieg dämpft Investitionstätigkeit
Grösser ist der Zinseinfluss hingegen im Bereich der Investitionen. Der starke Anstieg der Zinssätze im laufenden Jahr hat zwar aufgrund des hohen Arbeitsvorrats die Bautätigkeit bisher nur wenig tangiert. Dies dürfte sich 1990 aber ändern; insbesondere im sensibel auf Zinsveränderungen reagierenden Wohnungsbau ist mit einem Rückgang der Bautätigkeit zu rechnen. Im industriell-gewerblichen Bau wird die Abschwächung dagegen weniger deutlich ausfallen, weil die Ertragsaussichten der Unternehmen weiterhin positiv und die Produktionskapazitäten überaus stark ausgelastet sind. Vor dem Hintergrund der sprunghaft gestiegenen Bauteuerung ist die Drosselung der Bautätigkeit durchaus positiv.
Die Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen wird sich 1990 zwar ebenfalls abschwächen, im Vergleich zu den übrigen Wachstumsträgern aber nach wie vor überdurchschnittlich ausfallen. Wichtigste Investitionsmotive bleiben zum einen die gegenwärtigen Kapazitätsengpässe und zum andern der Druck in Richtung Produkt- und Prozessinnovationen, der vom verschärften internationalen Wettbewerb ausgeht.
Die gute Konsum- und Investitionsstimmung wird 1990 auch auf der Importseite Spuren hinterlassen. Im Einklang mit der konjunkturellen Abkühlung dürfte der Importsog zwar insgesamt etwas nachlassen. Weil die Einfuhr aber auch im nächsten Jahr mengenmässig leicht stärker als die Exporte zunehmen wird, geht von der Aussenwirtschaft weiterhin ein negativer Wachstumsimpuls aus. Insgesamt wird sich das Realwachstum des Bruttoinlandprodukts von 3 % in diesem Jahr auf rund 2 % im nächsten Jahr abschwächen.
Angespannter Arbeitsmarkt
Trotz der langsameren Gangart der Konjunktur wird die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt andauern. Wie bereits in den letzten Jahren kann die zusätzliche Arbeitskräftenachfrage aus demographischen Gründen nur durch einen grösseren Zustrom von ausländischen Beschäftigten gedeckt werden. Wegen der Angebotsverknappung dürfte die Beschäftigung lediglich um knapp 1 % steigen. Die Arbeitslosenquote wird sich im Jahresdurchschnitt von 0,6 % 1989 auf 0,5 % 1990 zurückbilden.
Vorübergehender Teuerungsschub
Weniger rosig präsentieren sich die Teuerungsaussichten. Zwar wird der seit diesem Frühjahr starke Preisauftrieb bei den Importwaren im kommenden Jahr voraussichtlich abflauen, weil sich der Schweizerfranken erholen dürfte und mit weitgehend stabilen Rohstoffnotierungen gerechnet werden kann. Anderseits bringen die durch den Anstieg der Hypothekarzinssätze ausgelösten Mietpreissteigerungen einen markanten Anstieg des Konsumentenpreisindex im November 1989, was gleichzeitig die Gefahr einer einsetzenden Lohn-Preis-Spirale verschärft. Erst gegen Ende 1990, wenn dieser Teuerungsschub ausläuft, sind wieder deutlich bessere Meldungen von der Inflationsfront zu erwarten. Dazu tragen sowohl die restriktive Geldpolitik der Nationalbank als auch die konjunkturelle Abkühlung bei. Aufgrund der prognostizierten monatlichen Inflationsraten ergibt sich für 1990 eine durchschnittliche Teuerungsrate von 4,1 % im Vergleich zu 3,1 % für 1989.
Geldpolitische Gratwanderung
Vor diesem Hintergrund wird das Dilemma verständlich, in dem sich die Schweizerische Nationalbank befindet. Verfolgt sie im Interesse der längerfristigen Inflationsbekämpfung und eines stärkeren Schweizerfrankens weiterhin einen unvermindert restriktiven Kurs, läuft sie Gefahr, über steigende Zinsen eine nochmalige Hypothekarzinsrunde mit der Konsequenz einer kurzfristig weiter steigenden Binnenteuerung einzuläuten. Aus internationaler Sicht dürften die zu erwartende leichte Tieferbewertung des Dollars und der sinkende internationale Zinstrend die Wahrscheinlichkeit einer moderaten geldpolitischen Lockerung im nächsten Jahr zwar etwas erhöhen. Da im Gegensatz zur weltweiten Tendenz die Inflationsrate in unserem Land in den nächsten Monaten aber noch kräftig steigen wird, bleibt der Handlungsspielraum für die Geldpolitik eng begrenzt.
Anhaltend hohe Zinssätze
Sofern die Schweizerische Nationalbank -- was zu erwarten ist -- in den
nächsten Monaten an ihrem restriktiven Kurs festhält, werden die
kurzfristigen Sätze vorerst hoch bleiben. Erst ab Mitte 1990 ist mit einer
Entspannung zu rechnen. Die langen Sätze werden wegen der in den nächsten
Monaten markant steigenden Teuerung noch längere Zeit auf dem gegenwärtigen
Niveau von 5,5 % verharren. Erst wenn sich die Inflationserwartungen
zurückgebildet haben, dürften die langen Sätze leicht nach unten tendieren,
voraussichtlich jedoch bis Ende nächsten Jahres über der Marke von
5 % bleiben. Die inverse Zinsstruktur in der Schweiz wird deshalb 1990
fortbestehen.
B. Arnet
Börsenplatz Schweiz im Wandel
Von Dr. U. Grete, Stv. Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft *
* Leicht gekürztes Referat, gehalten am Herbstpressegespräch der SBG
vom 9. November 1989.
Der Wertpapierhandel in der Schweiz bedarf in einigen Punkten der Modernisierung. Wichtigste Problemkreise sind Rückstände in der Transparenz des Handelsgeschehens, eine beschränkte Marktliquidität durch Zersplitterung, die grundsätzlich geringe Effizienz des Präsenzhandels mit dem à la criée-System sowie eine in der Marktverwertung beschränkte Verfügbarkeit von Risikoabsicherungsinstrumenten. Keine Börsenprobleme im eigentlichen Sinn sind dagegen Elemente wie die im internationalen Vergleich zu verbessernden Informationen der schweizerischen Gesellschaften, die Schwere schweizerischer Aktienkurse oder das Nebeneinander von Namen- und Inhaberaktien mit dem speziellen Aspekt der Vinkulierung. Die Gründe dafür liegen vielmehr in unserer Gesetzgebung.
Bestandesaufnahme
Für die Diskussion der genannten Probleme ist ein kurzer Blick auf den Börsenmarkt Schweiz zweckmässig. Wir leisten uns den Luxus von sieben klassischen Effektenbörsen mit stark unterschiedlicher volumenmässiger Bedeutung. Nicht einmal mit Argumenten des Föderalismus kann in guten Treuen für die Weiterexistenz von vier der sieben Börsenplätze gefochten werden. Ebenso falsch wäre aber, von einer derartigen Dominanz der Zürcher Börse auszugehen, dass Genf und Basel vernachlässigt werden könnten. Von der Geschäftsstruktur her ist eine Lösung "Börsenplatz Schweiz" zu suchen.
Bezüglich des Börsenwerts der kotierten Titel nimmt die Schweiz mit etwa 2 % der Weltkapitalisierung eine Position hinter Japan, den USA, Grossbritannien, der BR Deutschland, Kanada und Frankreich ein. Gemessen am schweizerischen Wirtschaftspotential ist dieser Anteil beachtlich. In bezug auf das Umsatzvolumen ist die Stellung des Handelsplatzes Schweiz noch besser.
Der Schweizer Kapitalmarkt wird seit Jahren von zahlreichen ausländischen Emittenten für die Beschaffung von Fremdmitteln benützt. Entsprechend hoch ist die Zahl der kotierten Obligationenanleihen und die Vielfalt der so an der Börse vertretenen Emittenten. Keine andere nationale Börse erreicht eine vergleichbare ausländische Repräsentanz.
Die Schweizer Börsen sind weitgehend durch Massnahmen der Selbstregulierung geordnet. Die kantonalen Gesetze haben Rahmencharakter. Einerseits wird so Flexibilität gewährleistet, andererseits besteht keine Möglichkeit für eine gesamtschweizerische Durchsetzung von Massnahmen. Die Vereinigung der Schweizer Börsen (VSB) hat es sich Anfang 1988 zur Aufgabe gemacht, aktiv die Selbstregulierung weiterzuführen und konkrete Massnahmen zur Realisierung eines Börsenplatzes Schweiz einzuleiten. Erste Schritte sind der Übernahme-Kodex und eine weitgehende Anpassung des Courtage-Systems. Zwangsmittel zur Durchsetzung sind der VSB aufgrund der Börsenstruktur nicht gegeben.
Die Association Tripartite Bourses (ATB) betreut seit einigen Jahren im Auftrag der drei Haupthandelsplätze die technische und organisatorische Entwicklung der Börsen und des Effektenhandels. Das Ringinformationssystem, die Abschlussverarbeitung, das Reporting im Wertschriftenhandel und die Swiss Index-Familie sind klare Leistungsausweise. Mit der durch eine Gruppe von Banken getragenen Entwicklung und Einführung der Soffex hat der Finanzplatz Schweiz eine erste vollelektronische Börse geschaffen. Sie ist offenbar wegweisend für ähnliche Entwicklungen in anderen Ländern, stellt geeignete Instrumente für die Risikoabsicherung bereit und vermag den heutigen Transparenzansprüchen mehr als zu genügen. Diese Hinweise machen deutlich, dass wir aus eigener Kraft in der Bewältigung von Problemen vorwärtsschreiten und Resultate aufweisen können, auf die man zu Recht stolz sein darf.
Transparenz und Liquidität
Transparenz ist eine wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden Wertschriftenmarkt. Die Umsatz- und Preisstatistiken der Schweizer Börsen wurden in jüngster Zeit deutlich verbessert. Ein wesentlicher Schritt ist das Reportingsystem der ATB für Soffex-Titel. Weitere Massnahmen werden folgen. Transparenz bedeutet Reduktion der Möglichkeiten für die Kursmanipulation und für unerklärbare Preisdifferenzen im gleichen Marktsegment oder Titel. Hauptsächlich geht es darum, den Einfluss des Handelsvolumens auf die Kursentwicklung beurteilen zu können. Voraussetzung ist ein Reportingzwang. Bei den drei Hauptbörsen ist er gegeben, für das System der Elektronischen Börse Schweiz ist er ein wichtiges Teilelement.
Allen Vorwürfen zum Trotz haben jüngere Untersuchungen gezeigt, dass die Liquidität des schweizerischen Aktienmarktes besser ist als allgemein angenommen. Nur darf man unsere Umsatzvolumen nicht einfach mit den Verhältnissen an grösseren Märkten vergleichen. Unsere Börsenkapitalisierung liegt tiefer, und die Vorschrift über den minimalen Nennwert von Aktien führt zu einer relativ geringeren Anzahl ausstehender Titel. Zusätzlich gehorchen die Namenaktien andern Gesetzmässigkeiten als die Inhabertitel, und die eigentlichen internationalen Schweizeraktien stellen ein sehr beschränktes Segment dar. Analysiert man den Umsatz im Verhältnis zum Wert der ausstehenden Titel, so liegt die Schweiz mit 70 % sehr gut im Rennen. Unbefriedigend und durch Massnahmen der Börsen korrigierbar ist die Verzettelung dieser Liquidität auf die sieben Börsenplätze. Wir müssen uns daher in einem ersten Schritt auf die Hauptbörsen konzentrieren und in einer zweiten Etappe eine vollständig schweizerische Börse realisieren.
Die beschränkte Liquidität bei den festverzinslichen Titeln resultiert dagegen im Vergleich mit anderen Börsen aus dem relativ geringen Volumen der einzelnen Emissionen. Besondere Bedeutung kommt der Tatsache zu, dass SFr.-Obligationen durch private und institutionelle Anleger sehr oft ab Zeichnung oder Erwerb bis zur Fälligkeit gehalten werden. Damit wird die Entwicklung einer vernünftigen Liquidität von vornherein verunmöglicht. Hinter diesem Phänomen steckt als einer der wesentlichen Gründe der Umsatzstempel, welcher die Optimierung eines SFr.-Obligationenportefeuilles ganz beträchtlich erschwert.
Überholtes Handelssystem
Effizienz der Informationsvermittlung ist eine Schlüsselgrösse für den Erfolg eines Marktes. Im heutigen Umfeld verlangt dies eine weitgehende elektronische Unterstützung des Handels. Der Präsenzhandel à la criée mag zwar den Höhepunkt für den direkten Austausch von Informationen und psychologischen Einflüssen unter Händlern darstellen. In der Abwicklung der Transaktionen ist er aber auch der denkbar engste Flaschenhals. Ein Titel soll nicht nur während ein paar Minuten gehandelt werden und in dieser Zeit für einen ganzen Arbeitstag seinen massgebenden Preis erhalten. Der Wertpapierhandel spielt sich heute stundenlang ab und braucht entsprechende Kapazitäten. Der à la criée-Handel wird dem seit langem nicht mehr gerecht, und die Verbesserung der Effizienz ist nur über ein elektronisches System mit guten Zugangsmöglichkeiten zu gewährleisten.
Das schweizerische Börsensystem ist föderalistisch aufgebaut. Das entspricht einer guten Tradition, aber nicht mehr den heutigen Gegebenheiten. Nur ein integrierter Börsenplatz Schweiz kann im internationalen Verbund seine Position halten. Unterschiede zwischen einem geregelten Markt in Zürich und ungeregelten Handelsmöglichkeiten z.B. im Nachbarkanton Zug entspringen schierer Unvernunft. Die Revision des Wertpapiergesetzes im Kanton Zürich ist inhaltlich zwar auf dem richtigen Weg, die Gültigkeitsstufe des Gesetzes entspricht leider nicht mehr den Gegebenheiten. Die schweizerische Börse braucht ein eidgenössisches Rahmengesetz, welches das Festlegen von Einzelheiten in der bewährten Form der Selbstregulierung erlaubt. Bis zur Schliessung dieser Lücke müssen die Börsen, unter Führung der VSB, die Schritte zur Modernisierung weiter tun können. Sie verdienen dabei Unterstützung und nicht Kritik.
Anliegen
Der Finanzplatz Schweiz braucht eine international angesehene und modernen Ansprüchen genügende Börse und kann diese auch selbständig entwickeln. Die Schweizerische Bankgesellschaft engagiert sich hierfür und arbeitet eng mit anderen Instituten zusammen. Die dabei anfallenden Kosten, insbesondere für das qualifizierte Personal, tragen wir selbst.
Die Hauptpunkte sind eine schrittweise Verbesserung der Transparenz auf der Basis der heutigen Systeme. Dann muss über mehrere Etappen ein eigentlicher Wertpapierhandelsplatz Schweiz mit starker elektronischer Unterstützung geschaffen werden. Dies schliesst die Realisierung des Projektes Elektronische Börse Schweiz mit ein. Parallel ist auf dem Weg der Selbstregulierung das Handlungsumfeld im Wertpapiergeschäft genauer abzustecken und mit den notwendigen Einzelregeln und Überwachungsinstrumenten auszurüsten. Und schliesslich wird ein eidgenössisches Rahmengesetz für den Wertpapierhandel sorgfältig zu erarbeiten und zu implementieren sein. Die zwischenzeitlich geschaffene Selbstregulierung soll in den durch das Gesetz zu definierenden Eckpunkten ihren Platz finden.
Das skizzierte Programm erfordert beträchtliche Anstrengungen auf mehreren Ebenen. Wir leisten die notwendigen Beiträge gern. Ein auf das gemeinsame Ziel ausgerichtetes Handeln der Bankenszene Schweiz sowie der übrigen Börsenteilnehmer und der Behörden ist jedoch für den Erfolg unerlässlich.
Das Tourismusland Schweiz in den neunziger Jahren
Von H. Müller, Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft *
* Gekürztes Referat anlässlich der Einweihungsfeier der SBG
Interlaken am 26. Oktober 1989
Der Mensch ist von Natur aus ruhelos und neugierig. Er träumt von der Ferne, vom Anderen und damit vom Nicht-Alltag. Entsprechend steigt der Stellenwert des Tourismus innerhalb der gesamten Freizeitgestaltung noch immer. Umgekehrt will der Tourist auf die Annehmlichkeiten seiner gewohnten Umgebung auch im Urlaub nicht verzichten. Gemäss dem Freizeitforscher Opaschowski will der Freizeitmensch der Zukunft fast alles haben: Ruhe und Rummel, Individual- und Massentourismus, Natur für alle und gleichzeitig intakte Landschaft, Kurzurlaub und Langzeiturlaub. Der Freizeittourist der 90er Jahre will öfter und kürzer -- rund ums Jahr -- verreisen und alle paar Jahre auf die ganz grosse Reise gehen. Aus dem Reisetraum wird ein Lebensstil.
Konkret heisst dies, dass der Tourist künftig wesentlich höhere Anforderungen stellt als bisher. Vor allem sollen es erfüllte Ferien sein. Der Erlebniswert eines Aufenthalts wird zum wichtigsten, wenn auch schwer definierbaren Qualitätsmerkmal der Ferien.
Der Gast von morgen will rund um die Uhr unterhalten sein. Die Aktivitäten werden indessen nicht auf eigene Faust unternommen, sondern stehen unter permanenter Animation und Betreuung. Sicher wird es weiterhin den unabhängigen Gast geben, der für seine Individualferien auch einen höheren Preis zu bezahlen bereit ist. Er wird allerdings entsprechende Anforderungen stellen. Neben der Vielfältigkeit des Hotelangebots wird er vor allem klare Vorstellungen haben von dem, was er punkto Bedienung erwartet. Hier liegt ein erstes ernsthaftes Problem. Verglichen mit unseren nördlichen und östlichen Nachbarn im Alpenraum nimmt sich das Preis/Leistungsverhältnis zunehmend ungünstig aus. Dies betrifft gleichermassen den Komfort wie die Leistung des Bedienungspersonals. In dieser Hinsicht muss sich die schweizerische Hotellerie etwas einfallen lassen.
Es wäre indessen falsch, die erhöhten Ansprüche nur dem Individualgast zuzuordnen. Auch der organisiert Reisende hat klarere Vorstellungen, was er für sein Geld erhalten will.
Neue Möglichkeiten
Die Lebensarbeitszeit dürfte sich weiter verkürzen, wenn auch nicht mehr im selben Ausmass wie in den vergangenen drei Jahrzehnten. Mit der vermehrten Freizeit wächst auch der Touristik-Markt. Für die Anbieter entsprechender Dienstleistungen haben weitere Arbeitszeitverkürzungen aber auch eine Kehrseite. Das touristische Gewerbe mit seiner Präsenz fast rund um die Uhr wird inskünftig noch mehr Mühe bekunden, sich auf dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt zu behaupten.
Gegenwärtig lassen sowohl die kurzfristigen Konjunkturindikatoren wie auch das Barometer für die längerfristige Wirtschaftsentwicklung auf eine anhaltende Schönwetterlage schliessen. Wieder rückläufige Inflationsraten, stabile Energiepreise, verstärkter Welthandel und mittelfristig die Auswirkungen aus dem engeren EG-Zusammenschluss sind die Grundlagen für die günstigen Aussichten. Daraus ergibt sich, dass zumindest in den Industrieländern -- und das sind die Hauptkundengebiete für die Schweiz -- die verfügbaren Einkommen weiter ansteigen und somit manchen touristischen Wunschträumen zur Realisierung verhelfen.
Entwicklungen in Europa
Der Fremdenverkehr in Westeuropa, insbesondere in der Schweiz, war seit jeher, wenn auch mit kriegsbedingten Unterbrüchen, prinzipiell liberal. Vom EG-Binnenmarkt sind zusätzliche Auswirkungen auf den Tourismus zu erwarten. So wird die Liberalisierung des Flugverkehrs den EG-Binnentourismus wegen der erwarteten Verbilligung der Flugreisen weiter anschwellen lassen. In Verbindung mit dem forcierten Ausbau eines europäischen Schnellbahnnetzes und der Erleichterung des Grenzübertritts ist auch mit einem Anstieg des Landverkehrs zu rechnen.
Dank der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EG werden genügend Arbeitskräfte aus den Billiglohnländern der EG zur Verfügung stehen, um die höhere touristische Nachfrage befriedigen zu können. Die vorgesehene Aufstockung des Strukturfonds für die EG-Randgebiete, vor allem am Mittelmeer, wird den Ausbau der Hotelkapazität ohne grosse Fremdbelastung begünstigen.
Im vereinheitlichten touristischen EG-Markt werden sich sowohl auf der Angebotsseite, insbesondere in der Hotellerie, wie auch bei der Vermittlung, d.h. in der Reisebürobranche, marktmächtige Gruppen bilden, die das Geschäft unter sich aufzuteilen versuchen. Die damit einhergehende erhöhte Markttransparenz begünstigt tiefere Preise für die Konsumenten.
Schliesslich treten die EG-Länder auch an der Werbefront gemeinsam auf, was für uns die Gefahr heraufbeschwört, dass Europa mit der EG gleichgesetzt wird.
Auswirkungen auf den Tourismus in der Schweiz
Die Bildung eines einheitlichen Touristikmarktes rund um die Schweiz verschärft den Wettbewerb sowohl bei den Gästen wie auch bei den Arbeitnehmern. Bei den Reisenden sind es wohl vor allem jene aus Übersee, die dank massiver EG-Werbung vermehrt EG-Länder besuchen könnten. Eine aktive Mitarbeit in der gemeinsamen Werbeorganisation European Travel Commission sollte allerdings die Präsenz der Schweiz auf den Hauptmärkten EG, USA und Japan sicherstellen. Was den einzelnen Betrieb betrifft, hat das Ferienland Schweiz aber marketingmässig etliches aufzuholen. Angesichts der intensivierten Werbeanstrengungen der europäischen Anbieter wird es zunehmend schwierig, dass sich ein einzelnes Hotel im internationalen Markt selbst verkaufen kann. Hier eröffnen sich insbesondere den freiwilligen Hotelgruppierungen -- wie etwa den "Relais de silence" oder den "Relais des châteaux" -- noch grössere Möglichkeiten, wenn sie gegen aussen geschlossen auftreten und gleichartige Betriebe unter einem einheitlichen Markenzeichen zusammenfassen.
Auch in qualitativer Hinsicht wird die Schweiz keinen leichten Stand haben. Trotz der Unterstützung seitens der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit und kantonaler Hilfen wird es kaum gelingen, die gesamte gegenwärtige Hotelkapazität in das nächste Jahrzehnt hinüberzuretten. Die Konzentrationsbewegung ist bereits im Gange und wird sich in Richtung grössere und höherklassige Betriebe noch verstärken. Diese im Einzelfall schmerzliche Entwicklung sollte nicht verhindert werden, wenn unser Land auch touristisch neben dem EG-Markt bestehen will. Dort wird sich die Hotellerie nämlich auch qualitativ noch schneller entwickeln.
Die Verlagerung in Richtung höherer Kategorien drängt sich auch vom Arbeitsmarkt her auf. Da aus innenpolitischen Gründen kaum zusätzliche Gastarbeiterkontingente zu erwarten sind, wird die Personalknappheit andauern. Nachdem aber gemäss SGH-Statistik die Ergebnisse in höheren Kategorien und grösseren Betrieben besser ausfallen, ist bei einer Konzentration zu hoffen, dass sich wieder eher qualifiziertes, ja vielleicht sogar einheimisches Personal finden lässt.
Chancen
Neben den erschwerenden Auswirkungen des Binnenmarktes für die Schweiz lassen sich aber durchaus auch positive Elemente erkennen. So dürfte sich die Reisetätigkeit dank grösserer Zeit- und Geldbudgets generell erhöhen. Gerade in der EG sollte dieses Wachstum der touristischen Nachfrage überproportional ausfallen. Davon kann die Schweiz aufgrund ihrer Lage im Herzen Europas profitieren. Der Schweiz kommt auch entgegen, dass sie von den wichtigsten europäischen Ländern sehr schnell erreichbar ist, sodass sich unser Land für die immer beliebteren Kurzferien besonders gut eignet.
Wie gerade dieses Jahr augenfällig wurde, bereitet die Umweltverschmutzung, vor allem der Meere, einigen unserer Konkurrenzländer zunehmend Mühe und veranlasst Urlauber zu Umdispositionen in Richtung Schweiz. Hier zahlt sich aus, dass die Schweiz zur Umwelt vermehrt Sorge trägt und durch rigorose Bestimmungen die Qualität von Wasser und Luft wieder auf ein ansprechendes Niveau anzuheben versucht. Dabei gilt es aber auch, die Grenzen der touristischen Nutzung unserer Landschaft verantwortungsbewusst im Auge zu behalten. Die öffentlichen Dienste schliesslich dürfen in der Schweiz wohl als beispielhaft bezeichnet werden.
Meine Ausführungen zum Schweizer Tourismus der 90er-Jahre möchte ich in 10 Thesen zusammenfassen:
--- 1. Die Schweiz besitzt ein mehrheitlich intaktes Fremdenverkehrsangebot, das bei guter Führung und konstanter Erneuerung auch in Zukunft seine Attraktivität behalten wird.
--- 2. Das Umfeld wird sich wegen der neuen Reisegewohnheiten und der EG-92 verhärten.
--- 3. Der Preiskampf mit unseren wichtigsten Konkurrenten in Europa, aber auch im engeren Alpenraum, verschärft sich. Entsprechend wichtig ist der forcierte Ausbau in Richtung Qualitätstourismus, bei dem am ehesten Marktchancen bestehen. Das Preis-Leistungsverhältnis muss jedoch nachhaltig verbessert werden.
--- 4. Die Sommersaison wird für viele Kurorte Sorgenkind bleiben, weil die Alternativ-Angebote die Schweiz stark konkurrenzieren. Touristen wollen auch wetter- und klimamässig risikolose Ferien.
--- 5. Die Animation, die im Winter über die Institution der Skischule und des Après-Ski sehr gut spielt, braucht ein Pendant in der Sommersaison.
--- 6. Die Animation kann durch den Kurverein oder die Hoteliers aufgebaut werden. Durch erhöhte Service-Leistungen soll der alles entscheidende Erlebniswert auch für den Individualreisenden angehoben werden.
--- 7. Die Trennung zwischen Hotellerie und Parahotellerie wird sich insofern verschärfen, als letztere wohl vermehrt Budgetreisende übernimmt und sich die Hotellerie nach "oben" entwickelt. Kleinere Hotels in den unteren Preisklassen können nur dann überleben, wenn es ihnen gelingt, die persönliche Note sicherzustellen.
--- 8. Bezogen auf die Hotellerie wird die entscheidene Frage lauten, ob es ihr gelingt, sich in einem insgesamt wohl kleineren, dafür aber exklusiveren Markt zu positionieren. Dies setzt eine qualitative Aufwertung des Angebots und dessen Vermarktung voraus. Diese Zielsetzungen wie auch der gekonnte Personaleinsatz stellen hohe Anforderungen an den Hotelier als Unternehmer.
--- 9. Der schweizerische Fremdenverkehr muss sich noch vermehrt an den Wünschen des Gastes orientieren, neue Trends rechtzeitig aufnehmen und auf Betriebsstufe umsetzen.
--- 10. Die Schweizer Hotellerie wird von einer allgemein gefragten Position zu einer Nischenstellung durchfinden müssen. Das quantitative Wachstum ist zu ersetzen durch eine Konzentration auf Qualität. Die Grenzen werden durch die verfügbaren personellen Ressourcen gesetzt.
Anlagepolitischer Ausblick
Eindeutige Ertragserwartungen für die verschiedenen Anlageinstrumente und Märkte sind oft aus divergierenden Einflussfaktoren schwierig abzuleiten. In solchen Phasen fällt es schwer, vor allem dem kurzfristig orientierten Anleger Handlungsempfehlungen zu geben. Für den Kursverlauf an den Aktienmärkten in den nächsten Wochen ist die Entwicklung der Dollar-Geldmarktsätze eine Schlüsselgrösse. Ein weiterer Zinsrückgang dürfte an der Wallstreet zu einem Jahresend-Rally führen, welches auch auf andere Börsenplätze übergreifen könnte, obwohl bei letzteren die Zinssätze vorerst zumeist noch fester tendieren. Sollte jedoch dieser Zinsimpuls ausbleiben, so rechnen wir für die New Yorker Leitbörse über die nächsten Wochen mit Seitwärtsbewegungen bei erhöhter Volatilität. Die rückläufigen Gewinnausweise amerikanischer Unternehmen vom dritten und voraussichtlich vierten Quartal 1989 dürften die Börse überdies noch etwas belasten. Erst im Verlaufe des kommenden Januars könnte mit einem Stimmungsumschwung gerechnet werden, wenn ein erneut stärkeres Wirtschaftswachstum antizipiert werden sollte.
In Europa steht die deutsche Börse im Mittelpunkt. Die Öffnung der DDR-Grenzen hat dem Aktienmarkt neuen Schwung verliehen, doch gilt es vieles noch zu verarbeiten. Bei Neuengagements ist insbesondere zu beachten, dass einerseits gewisse Bau- und Konsumtitel bereits starke Avancen verzeichnet haben und entsprechend hohe Kurs/Gewinn-Verhältnisse aufweisen, anderseits die anfangs Januar beginnenden Tarifverhandlungen zwischen der IG-Metall und den Arbeitgebern noch einen gewissen Druck auf den Markt ausüben werden. Da die deutschen Zinsen kurzfristig nicht mehr stark ansteigen dürften, sondern im Verlauf des nächsten Jahres gar zurückgehen könnten, scheint überdies ein Engagement in festverzinslichen Werten attraktiv zu werden. In diesem Zusammenhang verdienen auch holländische Obligationen vermehrte Beachtung, da der Gulden aus geldpolitischen Gründen gegenüber der D-Mark relativ stabil ist. 1990 dürften die kurzfristigen Sätze in den Niederlanden etwas zurückgehen, was Aktien- wie Obligationenmärkte beleben wird.
Solange die Deutschland-Euphorie anhält, wird auch die Schweizer Börse bis zu
einem gewissen Grad profitieren können. Dies betrifft insbesondere die Sektoren
Bau und Detailhandel, wo beispielsweise Titel wie Holderbank, Forbo, Sika und
Interdiscount schon gute Avancen verzeichnet haben. Auf zwölf Monate hinaus
erwarten wir für alle wichtigen internationalen Börsenplätze eine gute
Performance, wobei der deutsche und der holländische Markt kurzfristig etwas
kräftiger avancieren könnten.
R. Werner
Nivelliertes internationales Zinsgefälle
An den Finanzmärkten der wichtigsten Industrieländer setzte sich die in den Vormonaten herrschende Grundtendenz auch im November weitgehend fort. Einer vor allem bei kurzfristigen Anlagen akzentuierten rückläufigen Zinstendenz in den USA standen mehrheitlich weiter anziehende Kapitalmarktrenditen in Europa und Japan gegenüber. Abgesehen von Grossbritannien, dessen Geld- und Kapitalkosten -- bei allerdings auch überdurchschnittlicher Inflationsrate -- sich seit längerem auf einsamer Höhe bewegen, hat sich dadurch das Zinsgefälle zwischen den Hauptwährungen weiter verengt. So ist seit Jahresanfang 1989 die Differenz zwischen Dollar- und Franken-Dreimonatssätzen am Euromarkt von 4,5 auf 0,5 %-Punkte zusammengeschmolzen. Etwas weniger ausgeprägt, aber trotzdem markant von 4,7 auf 2,3 %-Punkte, verringerte sich gleichzeitig der Renditeabstand zwischen dem amerikanischen und dem schweizerischen Kapitalmarkt.
Unterschiedliche Konjunkturtrends
Den divergierenden Zinstrends dies- und jenseits des Atlantiks liegen deutliche Unterschiede im aktuellen Konjunkturverlauf zugrunde. Die USA befinden sich in einer Phase der Wachstumsverlangsamung bei allerdings noch nicht eindeutig gebrochener Inflationsgefahr. Zur Vermeidung rezessiver Tendenzen hat das Federal Reserve im November die geldpolitischen Zügel erneut gelockert, womit der Zinssatz für Federal Funds um rund 1/2 %-Punkt zurückging. Eine entsprechende Anpassung der Prime rate, wie sie von einzelnen Banken bereits vorgenommen wurde, steht damit unmittelbar bevor. Am US-Bondmarkt gaben die Renditen allerdings nur geringfügig nach, woraus eine gewisse Skepsis der Marktteilnehmer in bezug auf die Teuerungsentwicklung ersichtlich wird.
Die Märkte der kontinentaleuropäischen Industrieländer und Japans stehen demgegenüber immer noch unter dem Einfluss einer restriktiven Notenbankpolitik zur Bekämpfung der konjunkturellen Überhitzungstendenzen. Die beschleunigten Reformschritte in Osteuropa haben namentlich der BR Deutschland Perspektiven eines länger anhaltenden Booms mit entsprechenden Inflationsgefahren eröffnet. Der deutsche Kapitalmarkt quittierte diese neue Lagebeurteilung mit einem sprunghaften Anstieg des Renditeniveaus um 0,4 %-Punkte. In dieser Situation ist auch eine weitere Drehung der Leitzinsschraube nicht auszuschliessen. Die Bank of Japan, die relativ spät auf einen restriktiven Kurs umgeschwenkt war, wies zwar Markterwartungen einer erneuten Diskontsatzerhöhung zurück. Angesichts der angespannten Produktionskapazitäten, des schwachen Yen und des ausgeprägten Inflationspotentials dürfte jedoch in Japan eine geldpolitische Lockerung vorläufig ebenfalls nicht zur Diskussion stehen.
Anhaltend hohe Frankenzinsen
Die Eurofrankensätze für Dreimonatsanlagen verharrten im November knapp unter 8 %. Temporäre Erleichterung am kürzesten Ende des Fälligkeitsspektrums brachten lediglich der etwas schwächere Dollarkurs sowie ein effizienteres Liquiditätsmanagement im Rahmen des Swiss Interbank Clearing. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält an ihrer restriktiven Geldpolitik unvermindert fest. Trotz der per November mietpreisbedingt erhöhten Teuerungsrate ist jedoch eine zusätzliche Verschärfung dieses Kurses weder notwendig noch opportun. Fraglich ist allerdings, ob die SNB bei einer allfälligen weiteren Leitzinserhöhung der Deutschen Bundesbank abseits stehen könnte, da der Franken gegenüber der D-Mark erneut unter Druck geraten ist.
Am schweizerischen Kapitalmarkt setzte sich der Zinsanstieg trendmässig fort, wobei die Durchschnittsrendite eidgenössischer Obligationen gegen Ende November mit 5,54 % einen neuen Jahreshöchstwert erreichte. Trotz dieses mittlerweile hohen Zinsniveaus blieb die Emissionsaktivität für Inlandanleihen mit einer Marktbeanspruchung von knapp 1 Mrd Fr. rege, wobei der Plazierungserfolg der einzelnen Titel jedoch unterschiedlich ausfiel. Den grössten Anteil beanspruchten erneut Banken, die auf diesem Weg den anhaltenden Abfluss von Spar- und Depositengeldern zu kompensieren suchten. Eine Bereicherung des Emissionsprogramms stellte eine Optionsanleihe der BBC dar, die denn auch deutlich überzeichnet und an der Vorbörse über dem Ausgabekurs gehandelt wurde.
Etwas grössere Aktivität als in den Monaten zuvor kam in den Markt für
Frankenanleihen ausländischer Schuldner, der trotz verengter Zinsmarge zum
Ausland und bei begrenztem Wechselkursrisiko nach wie vor die international
günstigsten Konditionen bietet. Im Gegensatz dazu stand der D-Mark-Sektor des
Eurobondmarktes unter dem lähmenden Einfluss des erhöhten Renditeniveaus und
der ungewissen weiteren Zinsentwicklung, während Dollaranleihen angesichts
der gelockerten Geldpolitik in den USA auf eine stärkere Nachfrage stiessen.
FYC
Neu erwachtes Anlegerinteresse
Die Ende Oktober an den Edelmetallmärkten eingetretene Trendwende setzte sich im November unvermindert fort. Bereits in den ersten Tagen des Monats durchbrach der Goldpreis die 380 $-Grenze; zur Monatsmitte wurde die 390 $-Marke überschritten, und im letzten Monatsdrittel gelang der Sprung über die psychologisch wichtige 400 $-Hürde, ohne dass sich bereits ein Ende der Hausse abzeichnete. Vorübergehend gebremst wurde der Aufschwung nur durch Gewinnmitnahmen, kurzfristige Dollarkursausschläge nach oben und verstärkte Goldverkäufe von Produzenten. Auch die übrigen Edelmetalle gerieten in den Aufwärtssog, wobei insbesondere der Silberpreis stark anzog.
Am Anfang dieser Entwicklung standen ein Abbröckeln des Dollarkurses und die Unruhe an den Finanzmärkten. Beflügelt wurde das Anlegerinteresse auch durch den sinkenden Zinstrend in den USA. Zudem dürfte die Unsicherheit über die Entwicklung im Ostblock nach den sich überstürzenden Ereignissen in den osteuropäischen Ländern den Handel etwas stimuliert haben. Verstärkt hat sich vor allem die Nachfrage institutioneller Investoren wie Pensionskassen und Anlagefonds, während die private Käuferschaft erst zögernd wieder an den Markt trat. Die physische Nachfrage, die zunächst nachliess, zog mit anhaltendem Aufschwung wieder an.
Am 30. November notierte Gold bei xxx $/Unze, Silber bei xxx $/Unze und Platin
bei xxx $/Unze.
BET
Geprägt durch politische Ereignisse
Die wichtigsten Einflussfaktoren für die Bewegung der Wechselkurse im November waren -- nebst den Aktienmärkten und der Beurteilung der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung in den USA -- die Lockerung der geldpolitischen Zügel durch das Fed sowie die politischen Reformbestrebungen in Osteuropa. Insbesondere die Vorgänge in der DDR hielten die Devisenmärkte in Atem und waren Auslöser für die Umlenkung internationaler Kapitalströme. In diesem Zusammenhang wurde die D-Mark anfänglich geschwächt, in der Folge jedoch generell höher bewertet. Die ausgeprägtesten Kursverluste musste das Pfund Sterling hinnehmen. Es geriet v.a. wegen der hohen Jahresteuerung im Oktober, dem Verzicht auf eine weitere Zinsanhebung und der Popularitätseinbusse von Regierungschefin Thatcher unter Druck und fiel erstmals seit Februar 1987 unter DM 2.80.
Verblassender Dollarglanz
Kursverlauf $/Fr.: 1.6195 (1. Nov.), 1.6445 (13.), 1.5970 (27.). Die von der US-Wirtschaft ausgehenden Signale, die teilweise eine robuste (Beschäftigung), teils eine sich verlangsamende Konjunktur (Leading Indicators) anzeigten, liessen den Dollar während längerer Zeit trendlos hin und her pendeln. Erste Reaktionen auf die politische Entwicklung in der DDR verliehen ihm in der Folge Auftrieb, obwohl abgleitende Zinssätze für Federal Funds als Indiz einer etwas expansiver gewordenen Fed-Politik gewertet wurden. Die nach der Publikation unerwartet schwacher Oktober-Detailhandelsumsätze und Industrieproduktion aufkommende Zinssenkungsspekulationen leiteten zur Monatsmitte eine Tieferbewertung des Dollars ein. Sie wurde akzentuiert durch die gleichzeitig aufkeimenden Erwartungen steigender DM-Zinsen. Das markant tiefere US-Handelsbilanzdefizit im September vermochte das Blatt für den Dollar nur kurzfristig zu wenden. Das rege Anlegerinteresse für die D-Mark und das vom Fed in die Wege geleitete weitere Abgleiten des Fed Funds Satzes auf 8,25 % vertieften die Schwächeneigung des Dollars, der vorübergehend auf ein Niveau unter Sfr. 1.60 fiel.
D-Mark international beliebt
Kursverlauf $/DM: 1.8445 (1. Nov.), 1.8660 (13.), 1.7850 (27.). DM/Fr.: 87.80 (1. Nov.), 89.51 (27.). Die durch den Zuwanderungsstrom aus der DDR ausgelöste Besorgnis über die finanziellen und inflationären Folgen für die Bundesrepublik führte zunächst zu Kursverlusten der D-Mark auf breiter Front. In der Folge lösten jedoch Erwartungen einer zusätzlichen Konjunkturbelebung und einer entsprechend restriktiveren Geldpolitik der Bundesbank einen Zufluss kurzfristigen Kapitals aus, was die D-Mark zur stärksten Währung des Monats machte.
Yen im Formtief
Kursverlauf $/Yen: 143.05 (1. Nov.), 142.25 (9.), 144.82 (20.), 143.25 (27.).
Trotz etwas höherer Euro-Yen-Geldmarktzinsen und Interventionen der Bank von
Japan am Devisenmarkt notierte der Yen gegenüber dem Dollar per Saldo
praktisch unverändert tief. Neben dem anhaltend hohen Kapitalexport
zeichneten die nichterfüllten Hoffnungen auf eine Diskontsatzerhöhung für die
enttäuschende Kurs-Performance verantwortlich.
THH
Zinsbedingter Teuerungsschub
Der
Landesindex der Konsumentenpreise
stieg im Oktober 1989 um 0,4 %
auf 116,2 Punkte (Dezember 1982=100). Ausschlaggebend dafür waren
Preiserhöhungen in den Warengruppen Heizung und Beleuchtung (+3,5 %), Verkehr
(+1,2 %) und Nahrungsmittel (+0,6 %). Während die Preise der Inlandgüter
innert Monatsfrist nur um 0,1 % zunahmen, verteuerten sich die Importgüter
vor allem wegen der gestiegenen Heizölpreise um 1,1 %. Die gesamte
Jahresteuerungsrate stieg von 3,4 % im September auf 3,6 % im Oktober 1989.
Noch deutlicher wird der Teuerungsschub im November ausfallen, wenn die
Mietpreise im Konsumentenpreisindex erfasst werden. Wegen der zinsbedingt
höheren Wohnkosten dürfte die Inflationsrate im November auf rund 4 1/2 %
steigen.
Auf Grosshandelsstufe hat sich der Preisauftrieb in den letzten Monaten
leicht abgeschwächt. Der
Grosshandelspreisindex
erhöhte sich im Oktober
1989 lediglich um 0,1 % auf 181,1 Punkte (1963=100). Die Jahresteuerungsrate,
die im Mai noch 5,4 % betragen hatte, bildete sich in den vergangenen Monaten
kontinuierlich zurück und lag im Oktober 1989 noch bei 3,5 %.
ARB