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Osteuropa: Reformen brauchen viel Zeit
Die politische Öffnung Osteuropas ist sehr erfreulich und weckt hohe Erwartungen. Die Realisierung der mit der politischen Liberalisierung einhergehenden Wirtschaftsreformen wird aber viel Zeit beanspruchen. Die Fehler der Vergangenheit wurden diagnostiziert und erste Schritte zur Schaffung eines neuen Systems sind eingeleitet. Vorrangiges wirtschaftliches Ziel ist zweifellos die Annäherung an den Lebensstandard des Westens. Dazu müssen die Volkswirtschaften Osteuropas in einer stabilen politischen Umwelt modernisiert werden. Grundlegende Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen sowie hohe Investitionen in die Infrastruktur und in den Produktionsapparat sind unumgänglich. Solange die neuen Rahmenbedingungen nicht festgelegt und allgemein akzeptiert sind, bleiben Kapitalanlagen in Osteropa riskant und der Aussenhandel unterentwickelt. Trotz seinem grossen wirtschaftlichen Potential und der gerade stattfindenden dramatischen politischen Veränderungen ist der kurzfristige Einfluss Osteuropas auf westliche Volkswirtschaften -- von wenigen Ausnahmen, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland, abgesehen -- gering.
Ungenutztes Potential
Obwohl der Wohlstand von Land zu Land variiert, ist er innerhalb Osteuropas überall relativ niedrig. Während die Bevölkerung -- unter Einschluss der Sowjetunion -- nahezu 20 % höher ist als in Westeuropa, fällt das gemeinsame Sozialprodukt nicht einmal halb so hoch aus (vgl. Grafik; Stand 1987). Trotz dem relativ guten Ausbildungsniveau und dem soliden Bestand an natürlichen Ressourcen produzieren die 425 Millionen Osteuropäer bloss etwa gleich viel wie die 122 Millionen Japaner. Natürliche Ressourcen werden verschwendet, die Arbeitsproduktivität ist niedrig, und das Management wird durch falsche Signale fehlgeleitet.
Der Mangel an Produkten des täglichen Bedarfs und die schlechte Qualität der meisten verfügbaren Güter könnten Osteuropa zu einem attraktiven Markt für westliche Produkte machen, wenn die Finanzierung der Importe nicht auf Schwierigkeiten stiesse. Die gegenüber dem Westen hoch verschuldeten Länder (Polen, Ungarn, Bulgarien und bis vor kurzem Jugoslawien) müssen einen bedeutenden Teil ihrer Devisenerlöse für den Schuldendienst bereitstellen. Um eine zusätzliche Verschuldung und/oder eine Umschuldung zu vermeiden, sind sie auf Überschüsse in der Handelsbilanz und im Tourismus mit dem Westen angewiesen. Wegen der unzureichenden Konkurrenzfähigkeit ihrer Exportprodukte lässt sich ein Leistungsbilanzüberschuss aber kaum ohne Importrestriktionen realisieren. Das Beispiel Rumänien zeigt eindrücklich, dass die Forcierung der Exporte um jeden Preis und die extreme Einschränkung der Importe im Interesse des Schuldenabbaus eine Volkswirtschaft ruinieren können. Ein starker kreditfinanzierter Importschub ist aber auch in Ländern ohne hohe Verschuldung nicht zu erwarten. Die Erfahrungen osteuropäischer Staaten, die die Umstrukturierung ihrer Volkswirtschaften durch westliche Kredite finanzierten, sind entmutigend. Wegen der Schuldenlast, der Exportschwäche und der Importrestriktionen seitens der Oststaaten machte der Handel zwischen Ost- und Westeuropa 1988 lediglich 4 % am gesamten Aussenhandel von EG und EFTA aus.
Unterschiedliche Ausgangslage
Die Debatte über Wirtschaftsreformen blickt in Osteuropa auf eine lange Vergangenheit zurück. Erste offene Diskussionen über Systemmängel fanden -- nach dem Tod Stalins -- bereits in den 50er Jahren statt. Auf die Diagnose folgten allerdings lange Zeit bloss kosmetische Korrekturen. Gemessen an der Bedeutung freier Märkte und am Anteil der Privatwirtschaft am Sozialprodukt sind die Reformen in Ungarn und Polen am weitesten fortgeschritten (vgl. Tabelle 1). Insbesondere die Arbeitsmärkte sind hier beinahe vollständig liberalisiert. Obwohl die Gütermärkte immer noch viele monopolistische Elemente aufweisen, wird mehr als die Hälfte der Produktion -- unter Berücksichtigung der schwarzen Märkte -- zu freien Preisen abgesetzt. Kapitalmärkte spielen dagegen selbst in diesen beiden Ländern nur eine untergeordnete Rolle. Der Beitrag der Privatwirtschaft zum Sozialprodukt liegt deutlich unter einem Viertel. Jugoslawien brach zwar bereits 1950 mit dem stalinistischen System. Die damals eingeführte Arbeiterselbstverwaltung wies aber keine marktwirtschaftlichen Elemente auf. Erst Anfang der 80er Jahre wurden Reformen eingeleitet, die schrittweise eine marktmässige Koordination zuliessen. Die Sowjetunion und Bulgarien haben zwar schon vor Jahren Reformprojekte vorgelegt; deren Implementierung befindet sich jedoch erst am Anfang. Die DDR und die Tschechoslowakei stehen erst in der Phase der Ausarbeitung von Reformprojekten. Obwohl ihre relativ hochentwickelten Volkswirtschaften unter den neuen politischen Rahmenbedingungen -- ein vernünftiges Reformprogramm vorausgesetzt -- gute Erfolgschancen haben, wird die Realisierung viel Zeit beanspruchen. In Rumänien schiebt die politische Instabilität selbst die Vorbereitung der Wirtschaftsreform vorläufig in weite Ferne.
Reformerfahrungen am Beispiel Ungarn
Angesichts der stürmischen Entwicklung auf politischer Ebene in den letzten Monaten sind zwar Vergangenheitserfahrungen nicht unbedingt der einzige Massstab für neue Strategien. Andererseits ist aber auch die Gefahr erneut halbherziger Reformen nicht von der Hand zu weisen. Ungarn versucht seit mehr als zwanzig Jahren, die Koordination der Wirtschaftsabläufe vermehrt den Marktkräften zu überlassen. Als Vorstufe der umfassenden Wirtschaftsreform von 1968 fand 1957 die Umgestaltung der Landwirtschaft statt. Die staatlichen Übernahmepreise wurden erhöht, privates Hofland sowie der freie Verkauf der dort produzierten Güter zugelassen und die Mitgliedschaft in den Genossenschaften auf freiwillige Basis gestellt. Als Ergebnis konnte innert kurzer Zeit zum einen die Rationierung von Lebensmitteln abgeschafft und die Versorgung der Bevölkerung qualitativ verbessert werden. Zum anderen standen auch echte Überschüsse für den Export zur Verfügung.
Auf dem Programm von 1968 stand zuoberst die Abschaffung der detaillierten, bis auf die einzelnen Unternehmen aufgeschlüsselten mikroökonomischen Pläne, deren Aufgaben vom Markt mit den Betrieben als selbständige Akteure hätten übernommen werden sollen. Dass es selbst 22 Jahre später noch nicht soweit ist, hat mehrere Gründe. Ein wesentlicher Faktor ist darin zu sehen, dass die staatlichen Riesenkonzerne nicht entflochten wurden und die Entstehung eines funktionierenden Wettbewerbs verhinderten. Die jahrzehntelang aufgeschobene umfassende Preisreform findet vermutlich erst dieses Jahr statt. Da keine Marktpreise die relative Knappheit signalisierten, wurden die Ressourcen weiterhin fehlgeleitet. Hohe Subventionen verhinderten den Strukturwandel und liessen defizitäre Unternehmen am Leben. Die Effizienz kreditfinanzierter Investitionen blieb niedrig, so dass die Erträge nicht zur Schuldentilgung ausreichten. Die extrem hohe Last des Schuldendienstes gegenüber dem Ausland machte eine Austerity-Politik notwendig, die stark wachstumshemmend wirkte. Es entstand zwar ein kleiner privater Sektor, vor allem im Dienstleistungsbereich, wo der Kapitalbedarf niedrig war. Die hohe und häufig modifizierte Besteuerung der "Spekulationsgewinne" setzte aber dem unternehmerischen Erfolg und dem privaten Engagement in kapitalintensiveren Wirtschaftszweigen enge Grenzen.
Die ungarische Wirtschaftsreform erzielte dennoch einige Erfolge und schuf die Grundlagen für die Mitte der 80er Jahre einsetzenden politischen Reformen. Ungarn weist heute die beste Versorgung mit Konsumgütern innerhalb Osteuropas auf. Das durchschnittliche Exportwachstum in konvertiblen Währungen lag in den letzten 10 Jahren beinahe um das Dreifache über dem osteuropäischen Mittel, blieb jedoch unter dem Trend Westeuropas. Das Sozialprodukt pro Kopf übersteigt den osteuropäischen Durchschnitt aber nur wenig. Die Inflationsrate von knapp 20 % pro Jahr war in den letzten Jahren zwar deutlich niedriger als in den Reformländern Polen und Jugoslawien, weist aber trotzdem auf grosse Schwächen der Geldpolitik hin.
Jugoslawien und Polen
Wesentlich langwieriger und schwieriger verläuft der Reformprozess in Polen und Jugoslawien. Die extrem föderalistische Struktur und das schwerfällige Planungs- und Einigungssystem verhinderten in Jugoslawien jahrzehntelang eine sinnvolle Wirtschaftspolitik. Erste Anzeichen einer Überwindung der Dauerkrise sind Erfolge im Aussenhandel und ein bedeutender Abbau der Verschuldung. Die 1989 eingeleitete Umstrukturierung des Bankensystems, eine kontrollierte Geldmengenexpansion und die Einführung der Konvertibilität des Dinar konnten in den letzten Wochen die Inflation stoppen.
In Polen macht die erste nichtkommunistische Regierung seit mehr als vierzig Jahren nach der gescheiterten Wirtschaftsreform von 1982 einen erneuten, recht radikalen marktwirtschaftlichen Reformversuch. Der kritische Punkt des Konzeptes liegt in der hohen Reallohneinbusse, die einer seit zehn Jahren von Wirtschaftskrisen, Inflation, schlechter Versorgung und wachsender Kriminalität geplagten Bevölkerung zugemutet wird. Obwohl die Regierung Masowieczki das Vertrauen der Bevölkerung geniesst, ist es keineswegs sicher, dass sie den Reformkurs durchhalten kann, bis Erfolge sichtbar werden.
Elemente einer erfolgreichen Strategie
Tabelle 2 fasst ein mögliches Reformkonzept für die osteuropäischen Länder stichwortartig zusammen. Sowohl das Konzept als auch die Geschwindigkeit der Realisierung müssten auf die Besonderheiten der einzelnen Staaten angepasst werden. Da der notwendige Strukturwandel in den osteuropäischen Ländern zuerst beträchtliche Opfer von der Bevölkerung verlangt, ehe Erfolge sichtbar werden, muss in den jungen Demokratien ein breiter Konsens über das Konzept und insbesondere über dessen Verteilungsfolgen bestehen. Notwendige Opfer dürften umso eher akzeptiert werden, je schneller es gelingt, zumindest in einigen Teilbereichen Erleichterungen zu verschaffen. Mit einer Reform der Landwirtschaft nach ungarischem Muster von 1957 zum Beispiel liesse sich die Versorgung mit Lebensmitteln in den meisten Ländern innert kürzester Zeit bedeutend verbessern. Die (vermehrte) Zulassung privater Kleinbetriebe noch vor einer umfassenden Reform würde Engpässe ebenfalls schneller beseitigen helfen.
Märkte mit freiem Wettbewerb funktionieren nur, wenn die individuelle Zurechenbarkeit von Erfolg und Misserfolg gewährleistet ist. Der gravierendste Mangel bisheriger Reformen in Osteuropa war die Dezentralisierung der Kontrolle und die teilweise Liberalisierung der
Preise, ohne vorher die staatlichen Riesenkonzerne aufzugliedern und individuelle Verantwortung zu schaffen. Der Abbau von Subventionen an defizitäre Betriebe könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein. Eine Privatisierung von Staatsbetrieben könnte die Kontrolle verbessern und einen Teil der überschüssigen Kaufkraft absorbieren, die sich in den vergangenen Jahrzehnten der Mangelwirtschaft mit entsprechender Inflationsgefahr angesammelt hat.
Auch nach einer umfassenden Wirtschafstreform wird die notwendige
Umstrukturierung in Osteuropa viel Zeit in Anspruch nehmen. Westliche Hilfe
kann den Reformprozess zwar erleichtern, die wichtigsten Marksteine müssen aber
im Osten selbst gelegt werden. Das Reformkonzept muss umfassend sein und
schnell eingeführt werden. Damit die (vorübergehenden) Verlierer in den neuen
Demokratien keine Rückkehr zu alten Verhältnissen erzwingen können, ehe der
Erfolg des Reformprozesses sichtbar wird, ist zudem eine wirksame Sozialpolitik
als flankierende Massnahme unumgänglich.
Frau Dr. Z. Szabo
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Offene Fragen zur deutschen Währungsunion
Seit der Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 sehen sich die Regierungen in der Bundesrepublik und in der DDR unter immer stärker werdendem Handlungsdruck. Die Bundesregierung antwortete mit dem Vorschlag einer rasch zu verwirklichenden deutschen Währungsunion. Die internationalen Finanzmärkte reagierten darauf mit zunehmender Verunsicherung, weil mit dem diskutierten Währungszusammenschluss die Gefahr höherer Inflation und steigender Zinsen in der Bundesrepublik verbunden wird.
Die steigende Zahl der Übersiedler aus der DDR birgt für die Bundesrepublik u.a. wegen den Belastungen für den Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie das Sozialversicherungswesen die Gefahr zunehmender sozialer Spannungen. Dies vor dem Hintergrund der Ende 1990 stattfindenden Bundestagswahlen. Gleichzeitig wird in der DDR angesichts des anhaltenden Bevölkerungsexodus und der zerrütteten Wirtschaft der Ruf nach massiven Finanzierungshilfen und einer schnellen wirtschaftlicen und politischen Annäherung beider deutscher Staaten immer dringender. Die wachsende Unzufriedenheit zwingt daher zu einem raschen Handeln. Der ökonomisch vernünftige Weg, eine Währungsunion erst nach erfolgten grundlegenden Wirtschaftsreformen in der DDR zu realisieren, ist politisch kaum mehr gangbar. Mit ihrem Vorschlag einer Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR hofft die Bundesregierung den Übersiedlerstrom -- allein im Januar sind 58 000 DDR-Bürger in die Bundesrepublik zugewandert -- aufzuhalten und einen Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft zu verhindern.
Ausgangslage
Die Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR würde zwei Staaten mit völlig verschiedenen Wirtschaftssystemen und einer stark unterschiedlichen Wirtschaftskraft zusammenbringen (vgl. Tabelle).
Die Auswirkungen der angestrebten Währungsunion hängen von zahlreichen, teilweise bisher nicht bekannten Faktoren ab. Zum einen sind keine verlässlichen Angaben über die in der DDR umlaufende Geldmenge verfügbar, zum anderen ist unklar, wie stark der private Konsum in der DDR effektiv zurückgebunden wurde und wie konkurrenzfähig die (bisher massiv subventionierten) DDR-Produkte auf dem Weltmarkt sind.
Das richtige Umtauschverhältnis
Die Ost-Mark ist gegenüber der D-Mark auf dem Schwarzmarkt mit einem Kurs von etwa 1:9 durch das derzeitige Währungsregime in der DDR zu tief bewertet. Die oft zitierte Valutamark, nach welcher 2,30 Ost-Mark für eine D-Mark aufgewendet werden müssen, ist als Anhaltspunkt für den echten Wert der Ost-Mark ebenfalls wenig geeignet. Er spiegelt nämlich weitgehend den forcierten Export zur Devisenbeschaffung um nahezu jeden Preis wieder, mit dem die DDR in den vergangenen Jahren eine eventuelle Umschuldung ihrer Auslandsverbindlichkeiten verhindern konnte. Ein Umtauschverhältnis von 1:1 -- entsprechend dem heutigen offiziellen "Wert" -- wäre ein rein politisch bestimmter Wechselkurs. Wird der Kaufkraftparitätskurs über die erwähnten Wohlstandsvergleiche ermittelt, so läge der Kurs bei etwa 1:4. Diesem Austauschverhältnis liegen aber noch die Preise der massiv subventionierten Güter und Dienstleistungen des Grundbedarfs der DDR-Bevölkerung zugrunde. Zudem sind in diesem Vergleich auch die Preise ortsgebundener Güter (z.B. Wohnungsmieten) und Dienstleistungen enthalten, die in der wirtschaftlich ärmeren DDR naturgemäss billiger sind, deren Preis für die Bestimmung des richtigen Aussenwerts der Ost-Mark aber nicht ins Gewicht fällt.
Diese Überlegungen deuten an, dass es nicht nur einen "richtigen" Umtauschkurs gibt. Voraussichtlich wird die Umtauschrelation differenziert. Denkbar ist, dass zum Schutz der DDR-Sparer für Geldvermögen ein Verhältnis von 1:1 gewählt wird. Hingegen könnte bei den Löhnen und Gehältern das Umtauschverhältnis 1:2 bis 1:3 betragen, da die Produktivität der Beschäftigten in der DDR lediglich auf 30 bis 50 % des bundesdeutschen Wertes geschätzt wird.
Auswirkungen einer Währungsunion auf die Bundesrepublik
Drohende Geldmengenexpansion
Technisch bedeutet eine Währungsunion, dass die Bundesbank die Ost-Mark gegen D-Mark austauscht. Wie stark die Geldmenge dadurch steigt, hängt vom gewählten Tauschkurs ab. Bei einer Relation von 1:1 würde der Geldüberhang in der DDR voll in D-Mark umgesetzt. Dadurch stiege die Geldmenge insgesamt deutlich stärker als das Produktionspotential, das sich um die gesamtwirtschaftliche Leistung der DDR vergrössert.
Als Obergrenze für den Geldüberhang in der DDR wird meist der auf 150-200 Mrd Ost-Mark geschätzte Gesamtbestand der Sparguthaben angesehen. In der DDR gibt es bisher praktisch nur eine Möglichkeit der Geldvermögensbildung, nämlich die Anlage auf Sparkonten zu 3 1/4 %. Die Umwandlung der DDR-Sparguthaben zu einem Umtauschverhältnis von 1:1 würde die bundesdeutsche Geldmenge M3 -- Richtschnur für das Geldmengenziel der Bundesbank -- gegenüber dem heutigen Stand um 15 % ausweiten. Der dadurch entstehende gesamtdeutsche Geldüberhang würde die Bundesbank zu einer Verschärfung des geldpolitischen Restriktionsgrades zwingen, um mittel- und langfristig das Preisniveau stabil halten zu können.
Die Gefahren des DDR-Geldüberhanges könnten dadurch entschärft werden, dass die Bürger zunächst nur einen Teil des Ost-Mark-Vermögens in D-Mark umwandeln dürfen. Der Rest müsste für einige Jahre eingefroren oder durch den Verkauf von im DDR-Staatsbesitz befindlichen Sachwerten (z.B. Boden, Wohnungen, Unternehmungen usw.) abgeschöpft werden, wobei der Erlös in DDR-Mark ganz oder teilweise zu vernichten wäre. Als erwünschter Nebeneffekt einer geschickt angelegten Reprivatisierung ergäbe sich auch ein Anreiz gegen die Übersiedlung. Als Ergänzung könnten dem DDR-Sparer attraktiv verzinste Anleihen angeboten werden, für die möglichst bald ein Sekundärmarkt zu schaffen wäre. Ein solches Vorgehen würde die Gefahren eines Aufblähens der Geldmenge gleich im Keime ersticken.
Hoch bleibende Zinssätze
Falls das Abschöpfen des vorhandenen Geldüberhanges in der DDR gelingen sollte, besteht für die Bundesbank kein Grund, bei der Geldpolitik restriktiver zu werden. Sie wird wegen der bestehenden konjunkturellen Überhitzungsgefahren die geldpolitischen Zügel im Interesse der Preisstabilität aber auch nicht lockern. Am kurzen Ende dürften sich daher die Zinssätze bis Ende 1990 um 8,0 % bewegen.
Als Folge höherer Transferzahlungen und unmittelbarer Leistungen an die DDR wird bereits in diesem Jahr ein zusätzliches Finanzierungsdefizit im bundesdeutschen Finanzhaushalt entstehen. Im Nachtragshaushalt 1990 sind vorerst 5,7 Mrd DM für die DDR eingeplant. Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung in der DDR könnte allerdings höhere Bundesausgaben für die DDR verursachen.
Den in den nächsten Jahren anfallenden staatlichen Zusatzausgaben der Bundesrepublik für die DDR in jährlich zweistelligen Milliardenbeträgen stehen mittelfristig jedoch auch Einsparungen entgegen. Dazu gehören z.B. die jährlichen Berlinsubventionen (1989: 14,5 Mrd DM), die Zonenrandförderungen oder die Beträge, die im Zusammenhang mit einem ungebremsten Übersiedlerstrom anfallen würden.
Zur staatlichen Kapitalnachfrage kommt die private hinzu, da zur Modernisierung der DDR-Produktionsanlagen hohe finanzielle Mittel erforderlich sind. Angesichts der beträchtlichen Liquidität der bundesdeutschen Unternehmen und der weiterhin günstigen Ertragslage bei anhaltend guter Konjunktur dürfte die private Nachfrage auf den Kapitalmärkten jedoch nur geringe Zinssteigerungen auslösen.
Trotz einem erwarteten Abflauen der Inflationsbefürchtungen, die mit der Ankündigung der Währungsunion aufkamen, dürften sich die Kapitalmarktrenditen wegen des insgesamt höheren Kapitalbedarfs aber doch bis Ende Jahr um 8,5 % (Bundesobligationen) bewegen. Ohne den durch die Entwicklung in der DDR induzierten zusätzlichen Finanzierungsbedarf hätten allerdings die bundesdeutschen Kapitalmarktsätze wegen der Überliquidität der Unternehmen und des niedrigeren Haushaltsdefizits des Bundes zurückgehen können.
Geringer Teuerungsdruck
Eine Freigabe der Preisbildung in der DDR und die Zusatznachfrage nach bundesdeutschen Produkten müsste wegen der gegenwärtigen Kapazitätsengpässe die Teuerung in der Bundesrepublik beschleunigen. Im Konsumgüterbereich dürfte die Preiswirkung allerdings eher gering ausfallen, da die Nachfrage relativ schnell auch mit ausländischen Gütern befriedigt werden könnte. Grössere Preisgefahren bestehen wegen der Kapazitätsengpässe eher im Bereich der Investitionsgüter. Bei einer erwarteten Verlangsamung der Weltwirtschaft im Verlauf von 1990 dürfte sich die Auslandnachfrage in diesem Bereich (2/3 der bundesdeutschen Gesamtausfuhren sind Investitionsgüter) jedoch etwas abschwächen, so dass der Druck auf die Preise wegen der zusätzlichen DDR-Nachfrage dank freigesetzter Kapazitäten gering bleiben sollte. Insgesamt erwarten wir im Jahresdurchschnitt 1990 einen Anstieg der Konsumentenpreise in der Bundesrepublik um 3,0 % (Vorjahr: 2,8 %). Berücksichtigt wurde dabei auch der dämpfende Effekt durch sinkende Importpreise (starke D-Mark, sinkender Rohstoffpreise und stabiler Ölpreis).
Konjunkturimpulse
Eine Währungsunion erleichtert bundesdeutschen Industrieunternehmen neue Investitions- und Absatzmöglichkeiten, die sich aus dem Wiederaufbau der zerrütteten DDR-Wirtschaft ergeben. Die westdeutschen Unternehmen werden dank historisch-kultureller Beziehungen und fehlender Sprachgrenzen am meisten profitieren. Das gute Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte in der DDR und der Modernisierungsbedarf der Wirtschaft bilden gute Investitionsbedingungen für westdeutsche Unternehmen. Zu erwarten ist somit eine deutliche Zunahme der Investitions- und Konsumnachfrage, so dass das Bruttosozialprodukt in der Bundesrepublik noch etwas stärker wachsen dürfte als bisher geschätzt. Unter Einschluss dieser zusätzlichen Wachstumsimpulse von ca. 1/2 % des bundesdeutschen Bruttosozialprodukts dürfte die gesamtwirtschaftliche Leistung der Bundesrepublik 1990 um real 3,5-4 % steigen. Voraussetzung dafür ist die rasche Schaffung einer sozialen Marktwirtschaft in der DDR nach bundesdeutschem Vorbild, d.h. die Realisierung der Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit, der Schutz von Privateigentum, unbeschränkte Investitionsfreiheit, eine umfassende Preis- und Steuerreform sowie die Liberalisierung des Aussenhandelmonopols und des Kapitalverkehrs in der DDR.
Starke D-Mark
Die D-Mark wird angesichts der günstigen Ertragsaussichten der Unternehmen, des anhaltend kräftigen Wirtschaftswachstums der Bundesrepublik und des unvermindert hohen Zinsniveaus stark bleiben, sofern sich die Inflationsimpulse in Grenzen halten. Gegenüber den EWS-Währungen ist daher mittel- bis langfristig eine Aufwertung der D-Mark nicht auszuschliessen, da andere EWS-Länder von den Konjunkturimpulsen aus der DDR weniger profitieren. Aus westdeutscher Sicht wäre zudem eine DM-Aufwertung im EWS erwünscht, da sie helfen könnte, den bundesdeutschen Exportboom in die EWS-Länder und damit die Konjunkturüberhitzung in der Bundesrepublik zu dämpfen. Das Verhältnis zum Schweizerfranken dürfte sich im weiteren Jahresverlauf bei einer insgesamt etwas grösseren Volatilität gegenüber dem Niveau von Februar wenig verändern, wozu auch die unüblich hohen Zinssätze in der Schweiz beitragen. Im Vorfeld der Bundestagswahlen vom Dezember 1990 könnte eine eher abwartenden Haltung ausländischer Anleger vorübergehend zu einer etwas leicht schwächeren D-Mark beitragen.
Währungsunion nur mit Wirtschaftsreformen in der DDR
Eine Währungsunion ohne die notwendigen Wirtschaftsreformen wie Freigabe der Preisbildung, Recht auf Privateigentum oder Absicherung ausländischer Direktinvestitionen dürfte der DDR nicht den erhofften Wohlstand bringen, sondern die Krisensituation eher verschärfen.
Durch eine Währungsunion wären zahlreiche Industrieunternehmen aus der DDR gegenüber westdeutschen nicht mehr konkurrenzfähig. Als Folge käme es zu Betriebsschliessungen und zunehmender Arbeitslosigkeit. Die Gefahr einer solchen Entwicklung verlangt die Schaffung eines Sozialsystems in der DDR, das in etwa mit dem bundesdeutschen vergleichbar ist. Seit Anfang Februar 1990 besteht in der DDR eine Arbeitslosenversicherung, welche die sozialen Kosten des Reformprozesses mildern soll. Um den Umsiedlerstrom in die Bundesrepublik zu stoppen, müsste aber gleichzeitig der Anspruch von Neuzuzügern aus der DDR auf Sozialunterstüzung in der Bundesrepublik entfallen oder stark reduziert werden. Ein solcher Schritt träge dazu bei, der DDR ihr Arbeitskräftepotential zu erhalten und die öffentlichen Staatshaushalte der Bundesrepublik zu entlasten.
Nur eine mit tiefgreifenden Wirtschaftsreformen gekoppelte Währungsunion wird
die Wirtschaftsentwicklung in der DDR richtig in Gang setzen. Mit der
Währungsunion würde die DDR über eine stabile Währung verfügen, und sie müsste
die Stabilitätspolitik der Bundesbank voll übernehmen. Zusammen mit der
gleichzeitigen Einführung eines marktwirtschaftlichen Systems wären dann über
erwartete starke Kapitalzuflüsse aus dem Ausland und steigende
Privatinvestitionen die Voraussetzungen für einen baldigen
Wirtschaftsaufschwung in der DDR gegeben.
Frau E. Messner, M. Gutmann
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Rekordergebnis der SBG im Geschäftsjahr 1989
Die Schweizerische Bankgesellschaft steigerte ihre Bilanzsumme im Jahre 1989 um 5,7 % auf 176,1 Mrd Fr. und den Reingewinn um 15,9 % auf 902,2 Mio Fr. Angesichts dieses guten Ergebnisses beantragt der Verwaltungsrat eine Dividendenerhöhung um 12,5 %.
Markante Strukturverschiebungen in der Bilanz
Der starke Anstieg der kurzfristigen Zinssätze bewirkte erhebliche Veränderungen bei der Bilanzstruktur. Auf der Aktivseite konnte die SBG die Ausleihungen an Kunden um 18 Mrd Fr. bzw. 21 % auf 102,5 Mrd Fr. ausdehnen. Der grösste Zuwachs entfiel dabei auf die Festen Vorschüsse ohne Deckung. Anhaltend lebhaft entwickelte sich auch das Hypothekargeschäft, dessen Volumen einschliesslich der hypothekarisch gedeckten Festen Vorschüsse um insgesamt 7,0 Mrd Fr. auf 48,3 Mrd Fr. zunahm.
Die Kundengelder nahmen bei stark unterschiedlicher Entwicklung insgesamt um 5,4 % auf 103,6 Mrd Fr. zu. Dabei erhöhten sich die hoch verzinsten Kreditoren auf Zeit um 8,6 Mrd Fr. auf 51,3 Mrd Fr.; ihr Anteil an den gesamten Kundengeldern stieg damit von 43,5 % Ende 1988 auf nahezu 50 % Ende 1989. Gleichzeitig verminderte sich der Bestand an Spar- und Depositengeldern um 2,3 Mrd Fr. bzw. 9,7 % auf 21,0 Mrd Fr., während die übrigen Kundengelder bei einem unveränderten Bestand an Kassenobligationen um 1 Mrd Fr. auf 31,3 Mrd Fr. zurückgingen.
Die von der SBG ausgewiesenen Eigenen Mittel erreichten Ende 1989 rund 12,6 Mrd Fr. und übertrafen damit den Vorjahresstand um 2,5 Mrd Fr. Grund dieser aussergewöhnlich starken Zunahme ist vor allem der Beschluss des Verwaltungsrates, bisher in der Position "Sonstige Passiven" enthaltene versteuerte stille Reserven von 2,0 Mrd Fr. auf die offenen Reserven zu übertragen.
Steigerung des Cash flows um 14,1 %
Die Ertragslage der SBG wurde im Geschäftsjahr 1989 von gegenläufigen Entwicklungen beeinflusst. Trotz eines sehr lebhaften Kreditgeschäfts und eines Anstiegs der Aktivzinsen um über 30 % nahm der Saldo des Zinsen- und Wechselgeschäfts lediglich um 0,2 % zu. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich der Zinsaufwand wegen der Verlagerung von Kundengeldern in höher verzinsliche Anlagen um 36,1 % erhöhte und so die Zinsmarge verminderte. Dem unbefriedigenden Zinsengeschäft stand eine Zunahme des Nettokommissionsertrags um knapp 21 % gegenüber. Dazu haben insbesondere substantielle Verbesserungen bei den Courtagen und Depotgebühren sowie bei den kommerziellen Kommissionen beigetragen. Im Devisen-, Noten- und Edelmetallhandel wurde ein neues Rekordresultat von 551 Mio Fr. realisiert (+16,2 %). Obwohl im Wertschriftenhandel ein deutlich besseres Ergebnis erzielt wurde, nahm der Wertschriftenertrag als Folge von Wertberichtigungen, die per Jahresende wegen des starken Zinsanstiegs auf Obligationenbeständen vorgenommen werden mussten, um 3 % auf 454 Mio Fr. ab.
Dank der weitergeführten und von allen Führungsstufen mitgetragenen strikten Kostenkontrollen hat sich der Betriebsaufwand insgesamt nur um 7,1 % auf 2,66 Mrd Fr. ausgeweitet. Der Personalaufwand nahm dabei um 7,8 % auf 1,8 Mrd Fr. zu. Die Zunahme der Geschäfts- und Bürokosten um 5,7 % auf knapp 0,9 Mrd Fr. bewegte sich im Vergleich zur Ausdehnung der Geschäftsaktivitäten in engem Rahmen. Per Saldo erzielte die SBG einen im Vergleich zum Vorjahr um 14,1 % höheren Cash flow von 1,76 Mrd Fr. Nach Vornahme von Abschreibungen und Rückstellungen von 857,1 Mio Fr. (+12,3 %) verbleibt ein Reingewinn von 902,2 Mio Fr., verglichen mit 778,3 Mio Fr. im Jahre 1988.
Dividenden- und Kapitalerhöhung
Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung vom 25. April 1990, eine erhöhte Dividende von Fr. 135.- pro Inhaberaktie bzw. Fr. 27.- pro Namenaktie sowie Fr. 5.40 pro Partizipationsschein auszurichten. Im weiteren wird beantragt, das Aktienkapital um 400 Mio Fr. auf 2'575 Mio Fr. zu erhöhen, die Abschaffung des Partizipationsscheinkapitals vorzusehen sowie einige Statutenbestimmungen zu revidieren.
184'000 neue Inhaberaktien von je 500 Fr. Nennwert und 165'000 neue Namenaktien von je 100 Fr. Nennwert werden den Aktionären im Verhältnis von einer neuen auf 20 bisherige Aktien und den Inhabern von PS im Verhältnis von einer neuen Inhaberaktie auf 500 bisherige PS zum Preis von Fr. 2'500.-- pro Inhaber- und von Fr. 500.-- pro Namenaktie zum Bezug angeboten. Unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre wird die Ausgabe weiterer 485'000 Namenaktien zur Reservation für den Mitarbeiterbeteiligungsplan der Bank, höchstens 361'039 Inhaberaktien zur Verrechnung mit Partizipationsscheinkapital sowie mindestens 124'961 Inhaberaktien zur Sicherstellung von Wandel- und Optionsrechten und für Übernahmen oder Plazierungen beantragt.
Die vorgesehene Abschaffung der Partizipationsscheine vereinfacht die Kapitalstruktur der Bank, erhöht die Transparenz und führt zu einer grösseren Liquidität der SBG-Titel an den Wertpapierbörsen. Sie trägt damit zu einer höheren Attraktivität der SBG-Aktien bei. Unter Vorbehalt der Zustimmung der Generalversammlung zur notwendigen Kapitalerhöhung werden die Inhaber der gegenwärtig ausstehenden 9'025'964 PS eingeladen, diese im Verhältnis 25:1 in Inhaberaktien SBG umzutauschen. Diese Offerte ist bis zum 17. April 1990 befristet. Der Umtausch erfolgt nach der Generalversammlung. Die Kotierung des Partizipationsscheins wird vorläufig aufrecht erhalten.
Statutenänderungen
Schliesslich wird der Generalversammlung die Revision einiger statutarischer
Bestimmungen beantragt. Anstelle der bisherigen, weit verbreiteten
Generalklausel wird im Sinne einer zeitgemässen und transparenten Lösung
vorgeschlagen, die Vinkulierungsbestimmungen, d.h. die Regelung über die
Eintragung von Namenaktionären ins Aktionärsregister, abschliessend -- für
jedermann offen einsehbar -- festzulegen. Die Beibehaltung von vinkulierten
Namenaktien dient dem Ziel, den Charakter der SBG als schweizerisch beherrschte
Publikumsgesellschaft zu wahren. Aufgrund des eidgenössischen Bankengesetzes
sowie der "Lex Friedrich" muss die Bank die schweizerische Beherrschung
nachweisen können. Eine weitere Bestimmung, wonach keine natürliche oder
juristische Person oder Personengesellschaft direkt oder indirekt mehr als 5 %
des Namenaktienkapitals auf sich vereinigen darf, bezweckt die Wahrung eines
breit gestreuten Aktienbesitzes. Gleichzeitig wird eine Stimmrechtsbeschränkung
in dem Sinne eingeführt, dass kein Aktionär bei der Ausübung des Stimmrechts
direkt oder indirekt für eigene und vertretene Aktien zusammen mehr als 5 %
sämtlicher Aktienstimmen auf sich vereinigen darf.
Red.
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Anlagepolitische Standortbestimmung
1989 und -- etwas weniger ausgeprägt -- auch 1988 waren Aktien- und keine Obligationenjahre. Während an den Hauptmärkten mit Aktien trotz "Minicrash" im vergangenen Oktober eine Performance (in Lokalwährung gerechnet) von 20-35 % erzielt werden konnte, hatten die Investoren bei europäischen und japanischen Obligationen aufgrund des Zinsanstiegs insgesamt Verluste zu verzeichnen. Lediglich im Dollarraum ergab sich eine auch im Verhältnis zu den Dividendenpapieren ansehnliche Obligationenrendite. Angesichts des geringen Risikos und der hohen kurzfristigen Zinssätze haben sich sodann Geldmarktanlagen als attraktiv erwiesen.
Währungsmässig gehen wir 1990 von eher stabileren Verhältnissen als in der jüngsten Vergangenheit aus, sofern nicht zusätzliche politische Überraschungen in Osteuropa auftreten. Auf zwölf Monate hinaus ist das Pfund von den wichtigen Anlagewährungen mit einem grösseren Abwertungsrisiko behaftet, während der Yen nach der rückläufigen Bewegung im vergangenen Jahr ein gutes Erholungspotential besitzt. Der Spielraum für Zinssenkungen im kurz- und langfristigen Bereich dürfte in fast allen Ländern bescheiden bleiben. In den USA und Kanada rechnen wir gar mit einem bescheidenen Zinsanstieg.
Die Perspektiven für die verschiedenen Aktienmärkte präsentieren sich
recht unterschiedlich, je nach dem betrachteten Zeithorizont.
Beispielsweise erwarten wir über die nächsten drei Monate für die
deutsche und holländische Börse eine Korrektur nach unten, während die
Kurse in der Schweiz und Frankreich eher seitwärts, in den USA, Japan
und Grossbritannien nach oben tendieren sollten. Der deutsche
Börsenplatz hat im Zuge der DDR-Entwicklung stark zugelegt und dürfte
kurzfristig etwas konsolidieren. Auf zwölf Monate hinaus sehen wir
jedoch für alle Aktienmärkte eine positive Performance in der
Grössenordnung von 8-15 %. Allerdings ist in gewissen Märkten die
Risikoprämie sehr gering. Unattraktiv ist die Situation diesbezüglich
in den USA und vor allem in Grossbritannien, wo die Geldmarktsätze auf
einem Niveau von 13-15 % verharren dürften. Insgesamt weisen die
europäischen Aktienmärkte, abgesehen vom britischen, neben Japan gute
Risiko/Return-Verhältnisse auf. Die BRD verfügt auf längere Frist über
ein gutes Potential. Trotz Währungsunion erarten wir, dass die
Inflation die 5 %-Marke nicht übersteigen sollte. Risiken sind aber
gegenwärtig nicht zu übersehen. Der Ausgang der Landtags- und
Bundestagswahlen, anstehende Tarifverhandlungen sowie die Entwicklung
im Osten, namentlich in der DDR, prägen das Geschehen.
WLP
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Weiterer Zinsschub im langfristigen Sektor
Die internationalen Anleihensmärkte hatten im Februar einen neuen, vor allem in Europa teilweise kräftigen Zinsschub zu verkraften. Der Hauptanstoss dazu kam vom deutschen Markt, der von der Perspektive einer überstürzten Währungsunion mit der DDR stark verunsichert wurde. In den Sog dieser Entwicklung gerieten auch die Renditen am niederländischen und französischen Kapitalmarkt, während sich die Kursabschläge auf Sterling- und Schweizerfranken-Anleihen in engen Grenzen hielten und sich der Dollarsektor nach anfänglicher Nervosität zu konsolidieren vermochte. Bemerkenswert stabil blieben dagegen in den meisten Ländern die Geldmarktsätze.
Währungsunion als Unsicherheitsfaktor
Die Pläne zur baldigen Errichtung einer Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR haben den deutschen Rentenmarkt unter starken Druck gesetzt, da der Zeitfaktor hierfür knapp ist, die Modalitäten jedoch noch weitgehend offen sind (vgl. Hintergrundbericht Seite 8). Das erhöhte Inflationspotential, die dadurch notwendig werdende restriktivere Geldpolitik und die Perspektive einer verstärkten Kapitalnachfrage liessen die Rendite auf Bundesobligationen im Februar innert weniger Wochen um mehr als 1 %-Punkt auf 8,9 % ansteigen. Vorerst noch wenig Reaktion zeigten dagegen die deutschen Geldmarktsätze; bei sogar rückläufigen Tagesgeldkosten zogen die Notierungen für Laufzeiten bis zu 12 Monaten um lediglich rund 1/4 %-Punkt an. In den Strudel des deutschen Kapitalmarktes gerieten jedoch die Anleihensmärkte Frankreichs und der Niederlande mit Renditesteigerungen um rund 0,8 %-Punkte. Die Kapitalverteuerung um 0,4 %-Punkte in Grossbritannien reflektierte neben diesen externen Einflüssen, die aufgrund des autonomen Pfund-Status nicht voll durchschlugen, auch hausgemachte Inflationsbefürchtungen.
USA kontra Japan
Indem die amerikanische Notenbank im Februar keine weitere Lockerung der Geldpolitik vornahm und die Zinssätze für Federal Funds weitgehend konstant bei knapp 8,2 % hielt, dokumentierte sie ihr Festhalten am vorrangigen Ziel der Preisstabilisierung. Der Dollar-Bondmarkt befand sich dagegen in einem Wechselbad. Im Vorfeld der umfangreichen mittel- und langfristigen Refinanzierungs-Auktionen des Treasury hatten Befürchtungen über eine Zurückhaltung japanischer Investoren das Renditeniveau anziehen lassen. Dies wurde nach dem günstigen Zeichnungsergebnis wieder korrigiert. In der Folge vermochte sich der Markt aber dem verstärkten internationalen Zinsauftrieb nicht zu entziehen. Mit 8,6 % rentierten Dollar-Staatsanleihen Ende Februar rund 0,7 %-Punkte höher als zu Jahresbeginn.
In Japan selbst hat sich der Anstieg des Renditeniveaus nach einer kurzen Atempause fortgesetzt. Das Ergebnis der Parlamentswahlen vom 18. Februar, das den Liberaldemokraten eine zwar geschrumpfte, aber weiterhin absolute Mehrheit im Unterhaus brachte, der gedrückte Yen-Kurs und das beschleunigte Geldmengenwachstum nährten Erwartungen eines entschlosseneren Restriktionskurses der Bank of Japan, verbunden mit einer weiteren Diskontsatzerhöhung. Mit Nominalrenditen von gut 7 % auf Staatstiteln und einer erwarteten Teuerung um 2,5 % übertrifft mittlerweise das Realzinsniveau Japans das amerikanische um knapp 1/2 %-Punkt, nachdem noch Ende 1989 ein entsprechender Zinsnachteil bestanden hatte.
Ansätze einer Konsolidierung in der Schweiz
Während die Geldmärkte der meisten Länder von den Kapitalmarktturbulenzen zwar vorerst nur geringfügig, im Trend aber doch mit leicht anziehenden Notierungen betroffen wurden, gaben die kurzfristigen Frankensätze im Februar gegenüber ihrem zu Jahresanfang erreichten Höchststand etwas nach. Besonders deutlich war dies beim Tagesgeldsatz der Fall, der um rund 1/2 %-Punkt zurückging und dadurch eine schrittweise Rücknahme des offiziellen Lombardsatzes unter die Marke von 11 % bewirkte. Dies ist zwar noch nicht Ausdruck einer gelockerten Geldpolitik der Nationalbank, doch machten die aktuelle Konjunkturlage und die Entwicklung des Frankenkurses zumindest keine weitere Verschärfung der Restriktion notwendig. Trotz des leicht verminderten Zinsvorteils zur D-Mark scheint der Franken als Anlagewährung angesichts der zahlreichen Fragezeichen zur deutschen Valuta etwas an Anziehungskraft gewonnen zu haben.
Der schweizerische Kapitalmarkt konnte sich dem internationalen Trend
zwar nicht ganz entziehen, doch hielt sich der Renditeanstieg auf
Bundesanleihen im Februar mit +0,1 %-Punkt in engen Grenzen. Die neue 6
1/4 %-Anleihe der Eidgenossenschaft erzielte mit ... % Ausgabekurs
einen guten Zeichnungserfolg. Aussagekräftiger für den effektiven
Zinstrend am Kapitalmarkt ist allerdings die Erhöhung der Swapkosten
auf 10 Jahre, die etwas stärker auf 8 % anzogen.
FYC
Unter dem Einfluss gegensätzlicher Impulse
Anfang Februar drückten Berichte über mögliche Goldverkäufe durch den Internationalen Währungsfonds auf den Goldpreis. Erst auf die Nachricht, dass die südafrikanische Regierung das Verbot der Befreiungsbewegung African National Congress und anderer Anti-Apartheidorganisationen aufhebt, vermochte der Markt wieder Tritt zu fassen. Vorübergehend wurde sogar ein neuer Jahreshöchststand (423.50 $) erreicht. Anschliessend liessen jedoch neben einem kurzfristigen Aufwärtstrend an der Wall Street vor allem Gewinnmitnahmen das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen. Zur Monatsmitte gaben Äusserungen Nelson Mandelas, mit denen er seine frühere Forderung nach Verstaatlichung der südafrikanischen Bergwerke bestätigte, dem gelben Metall neuen Auftrieb. Liquidationen von Goldpositionen der in Bedrängnis geratenen New Yorker Wertschriftenhandelsfirma Drexel Burnham sorgten jedoch bald wieder für einen erneuten Dämpfer. Nachhaltiger wirkten sich die Verstaatlichungsforderungen Mandelas auf den Platinpreis aus angesichts der Tatsache, dass über 80 % der Weltproduktion von Platin aus Südafrika stammt. Der Platinpreis konnte sich im Verlaufe der zweiten Monatshälfte weiter festigen.
Am 28. Februar notierte Gold bei ... $/Unze, Silber bei ... $/Unze und
Platin bei ... $/Unze.
BET
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D-Mark im Brennpunkt des Interesses
Die von Bonn vorangetriebenen Pläne zur Schaffung einer Währungsunion mit der DDR zogen die Devisenmärkte im Februar in ihren Bann. Angesichts der unbeantworteten Fragen über die Realisierbarkeit und Folgewirkungen dieses Vorhabens wurden die Anleger zwischen auseinanderklaffenden Beurteilungsschemata hin- und hergerissen. Die Sorge, dass die angestrebte Währungsunion einen inflationären Schub auslösen könnte, hinterliess am bundesdeutschen Kapitalmarkt tiefe Spuren, so dass die anfängliche DM-Euphorie verflog. Einfluss auf das Währungsgeschehen ging im weiteren von den Wahlen in Japan und den finanziellen Schwierigkeiten eines führenden US-Wertschriftenhauses aus.
Berg- und Talfahrt des Dollars
Kursverlauf $/Fr: 1.4960 (Feb. 1), 1.4705 (6), 1.5105 (16), 1.4685 (23). Anfangs Februar liessen Gerüchte über Rücktrittsabsichten Gorbatschews sowie sich verflüchtigende US-Rezessionsängste die Dollarkurse leicht ansteigen. Für eine erneute Abschwächung sorgten die Deutschland-Phantasie und Mutmassungen, dass die hohen Zinsen im Ausland die vierteljährlichen Refinanzierungsauktionen des US-Schatzamtes beeinträchtigen könnten. Diese Skepsis erwies sich allerdings als unberechtigt. Der Dollar legte darauf wieder zu und profitierte auch von Umlagerungen aus der D-Mark. Getrübt wurde die Stimmung durch die Insolvenzerklärung des US-Wertschriftenhauses Drexel Burnham Lambert. Der positive Effekt des markant tieferen US-Handelsbilanzdefizits im Dezember wurde in der Folge durch schwache Zahlen zur Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung überkompensiert, so dass der Dollar vor dem Hintergrund einer lustlosen Aktienbörse wieder zurückfiel.
Schwindender Ost-Bonus der D-Mark
Kursverlauf $/DM: 1.6785 (1. Feb.), 1.6495 (7.), 1.7015 (16.), 1.6765 (23.). DM/Fr: 89.13 (1. Feb.), 87.96 (23.). Die sich zunehmend konkretisierende Idee einer Wiedervereinigung der deutschen Staaten und der Schaffung einer Währungsunion beflügelte die Phantasie der Marktteilnehmer. Die Zuflüsse an die deutsche Aktienbörse aus dem Ausland liessen die D-Mark zunächst weiter erstarken. Dieser Euphorie folgte die Ernüchterung allerdings auf dem Fusse, nahm doch allmählich die Besorgnis überhand, dass sich das Projekt als gefährliche Inflationsquelle entpuppen könnte. Das Debakel am deutschen Rentenmarkt legte hievon Zeugnis ab.
Schwacher Yen
Kursverlauf $/Yen: 144.45 (1. Feb.), 144.07 (14.), 147.15 (23.).
Nachdem der Yen im Vorfeld der Unterhauswahlen insbesondere gegenüber
dem Dollar einen relativ stabilen Kursverlauf verzeichnet hatte, erlitt
er nach dem -- voll eskomptierten -- Sieg der LDP generelle
Kursverluste. Hauptgrund dafür war der heftige Rückschlag an dem von
Zinsängsten gebeutelten Tokioter Aktienmarkt, der die Notenbank davon
abhielt, die überfällige Diskontsatzerhöhung endlich vorzunehmen.
THH
Inflationszenit noch nicht erreicht
Der
Landesindex der Konsumentenpreise
stieg im Januar um 0,6 % auf 119,1
Punkte (Dezember 1982=100). Zugenommen haben die Preise innert Monatsfrist in
den Warengruppen Verkehr (+2,7 %), Nahrungsmittel (+1,3 %) sowie Körper- und
Gesundheitspflege (+1,0 %). Demgegenüber bildete sich der Gruppenindex Heizung
und Beleuchtung wegen tieferen Heizölpreisen um 3,6 % zurück. Die Inlandwaren
verteuerten sich gegenüber dem Vormonat um 0,7 %, die Importwaren lediglich um
0,2 %. Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen. Wegen der
erwarteten Stabilisierung des Frankenkurses werden die Teuerungsimpulse seitens
der Importgüter eher nachlassen. Dagegen zeichnet sich eine verstärkte
Inlandteuerung ab, zumal im Mai nochmals ein mietpreisbedingter Teuerungsschub
bevorsteht. Die Jahresinflationsrate, die im Januar 1990 5,1 % erreichte, wird
deshalb bis Mitte 1990 noch etwas weiter anziehen.
Der
Grosshandelspreisindex
ging im Januar 1990 um 0,2 % auf 181,5 Punkte
(1963=100) zurück. Während die Preise für Energieträger und Hilfsstoffe (-2,4
%) und jene für Rohstoffe und Halbfabrikate (-0,2 %) sanken, verteuerten sich
die Konsumgüter um 0,6 %. Innert Jahresfrist sind die Preise auf
Grosshandelsstufe insgesamt um 2,2 % gestiegen.
ARB