UBS Economic Notices (ger) 1/1992

Schweizer Wirtschaft: Weiterhin auf Talfahrt

Im 4. Quartal 1991 hat sich der Geschäftsgang in der schweizerischen Industrie erneut verschlechtert. Auftragseingang, Produktion, Arbeitsvorrat und Beschäftigung lagen bei den an unserer vierteljährlichen "Konjunkturpanorama"-Umfrage beteiligten rund 200 Industriefirmen deutlicher unter dem Vorjahresniveau als im 3. Quartal 1991. Die Geschäftsentwicklung blieb damit unter den in der September-Umfrage geäusserten Erwartungen. Für das 1. Quartal 1991 gehen die befragten Unternehmen davon aus, dass der Geschäftsgang weiterhin schlechter als im entsprechenden Vorjahresquartal ausfallen wird. Etwas positiver sind die Aussichten für das ganze Jahr 1992. Die Industriebetriebe rechnen gegenüber 1991 mit höheren Umsätzen und einer Verbesserung der Ertragslage. Im Baugewerbe hingegen werden sich die rezessiven Tendenzen fortsetzen. Eine Stagnation wird im Detailhandel, ein Aufwärtstrend im Tourismus erwartet.

Das "Konjunktur-Panorama" erscheint vierteljährlich

Redaktion: Beat Arnet

Industrie: Bestellungseingang, Produktion, Arbeitsvorrat und Umsatz dürften in den ersten drei Monaten 1992 weiterhin unter dem Vorjahresniveau liegen. Die Erwartungen für das 1. Quartal 1992 werden allerdings etwas weniger negativ beurteilt als die tatsächliche Entwicklung im Schlussquartal 1991. Einzig hinsichtlich der Beschäftigung wird mit einem verstärkten Rückgang gerechnet.

Baugewerbe: Im 4. Quartal 1992 hat sich der Rückgang der Bautätigkeit etwas gelindert. Vor allem im Hochbau lag das Bauvolumen aber weiterhin deutlich unter dem Vorjahresstand. Wegen des erneut rückläufigen Auftragseingangs wird der Abwärtstrend in den kommenden Monaten andauern. Auch für das ganze Jahr 1992 wird in allen Sparten ein sinkenden Bauvolumen erwartet.

Detailhandel: Das Weihnachtsgeschäft 1991 verlief besser als im Vorjahr, obschon die sehr optimistischen Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden. Für das 1. Quartal 1992 sind die Umsatzeinschätzungen etwas verhaltener. Insgesamt wird mit stagnierenden realen Umsätzen gerechnet.

Tourismus: Nach dem wetterbedingt ausgezeichneten Ergebnis über die Festtage erwarten die befragten Kurdirektoren auch für die gesamte Wintersaison 1991/92 (November bis April) eine gegenüber dem Vorjahr höhere Zahl von Gästen in Hotels und Ferienwohungen.

Industrie

In der schweizerischen Industrie war das 4. Quartal 1991 von einem weiterhin enttäuschenden Geschäftsgang geprägt. Bei den von uns im Dezember befragten rund 200 Firmen lagen die Saldi der Zunahme- und Abnahme-Meldungen für die wichtigsten Indikatoren wie Auftragseingang, Umsatz und Produktion noch immer deutlich unter dem Vorjahresniveau. Besonders ausgeprägt gilt dies für die kleineren Firmen. Die Beurteilung der laufenden Entwicklung hat sich damit im Vergleich zur September-Umfrage wieder verschlechtert und wurde auch deutlich negativer eingestuft, als die Befragten vor drei Monaten erwartet hatten. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung blieb mit rund 83 % gegenüber dem Vorquartal unverändert, lag aber nach wie vor knapp 5 Prozentpunkte unter dem Vorjahresniveau. Der seit Anfang 1991 anhaltende Abbau der Personalbestände hat sich im Verlauf des 4. Quartals noch beschleunigt; damit lag die Beschäftigung per saldo bei zwei Fünfteln der Unternehmen unter dem Stand vor zwölf Monaten.

Wenig Optimismus für das 1. Quartal 1992

Für das 1. Quartal 1992 gehen die Umfrageteilnehmer weiterhin davon aus, dass die Geschäftsentwicklung schlechter als im entsprechenden Vorjahresquartal ausfallen wird. Besonders ausgeprägt gilt dies für die kleineren Firmen, während die grossen Unternehmen beim gesamten Auftragseingang keinen weiteren Rückgang und bei den Umsätzen sogar Zunahmen erwarten, da sie den inländischen Auftragseingang und die Exportumsätze überdurchschnittlich günstig einschätzen. Immerhin beurteilt die Mehrheit aller Befragten die Aussichten hinsichtlich Bestellungseingang, Arbeitsvorrat, Produktion und Umsatzentwicklung etwas weniger negativ als die tatsächliche Entwicklung im Schlussquartal 1991, obwohl die Erwartungen im Vergleich zur September-Umfrage nach unten revidiert wurden. Hingegen gehen per saldo 47 % der Betriebe davon aus, dass die Beschäftigung weiterhin unter dem Vorjahresstand liegen wird.

Auch bis zum Jahresende ist im Urteil der Umfrageteilnehmer kein markanter Aufschwung in Sicht: Für das ganze Jahr 1992 rechnen zwar 60 % der Befragten mit nominell höheren Gesamtumsätzen als 1991, jede fünfte Firma prognostiziert gar eine Steigerung von über 6 %. Ein ähnliches Bild präsentiert sich bei den Exportumsätzen. Hier gehen 63 % der Unternehmen von einem Aufwärtstrend aus, jeder vierte Betrieb erwartet sogar einen Exportzuwachs von über 6 %. Angesichts des bereits seit einem Jahr andauernden Rückgangs der gesamten Umsätze sind diese Aussichten allerdings nur als gedämpft optimistisch einzustufen. Das mag damit zusammenhängen, dass der Spielraum für Umsatzsteigerungen durch Margenkomprimierung schon stark ausgeschöpft wurde. Nachdem für 1991 nur 30 % der Firmen gegenüber dem Vorjahr eine bessere, 49 % hingegen eine schlechtere Ertragslage meldeten, rechnen für das laufende Jahr 40 % der Unternehmen mit einem Aufwärtstrend, während nur noch 26 % einen Ertragsrückgang prognostizieren.

Uneinheitliches Branchenbild

Die Entwicklung der einzelnen Branchen verlief im Schlussquartal 1991 nach wie vor sehr unterschiedlich. Gemessen an den Indikatoren Auftragseingang, Arbeitsvorrat, Produktion und Umsatz war der Geschäftsgang in der Nahrungsmittel- und in der chemischen Industrie klar besser als im Durchschnitt aller Branchen. Deutlich unterdurchschnittlich verlief die Entwicklung hingegen in der Metall- und in der Papierindustrie sowie im graphischen Gewerbe.

Im 1. Quartal 1992 dürfte sich das Branchenbild nur geringfügig verändern. Einen im Vorjahresvergleich besseren und somit klar über dem Durchschnitt aller Branchen liegenden Geschäftsgang erwarten die Firmen der Nahrungsmittel- und vor allem die kleineren Unternehmen der Chemieindustrie. Deutlich schlechter als im Mittel aller Branchen sind die Erwartungen in der Metall- und in der Papierindustrie, in der Holz- und Möbelbranche sowie im graphischen Gewerbe.

Auftragsaussichten nach unten revidiert

Der unbefriedigende Verlauf der Auftragseingänge setzte sich fort. Nach der enttäuschenden Entwicklung im 3. Quartal (Saldo: -17 %) lagen die Bestellungseingänge auch im Schlussquartal 1991 mit einem Saldo von -22 Prozentpunkten deutlich unter dem Vorjahresniveau. Damit wurden die vor drei Monaten gehegten Hoffnungen einmal mehr enttäuscht, da die Auftragseingänge aus dem Ausland entgegen den Erwartungen wieder leicht rückläufig tendierten und auch die erhoffte Verlangsamung des Negativtrends bei den Inlandbestellungen ausblieb. Diese unbefriedigende Entwicklung hat die Unternehmen veranlasst, ihre Erwartungen im Vergleich zu den in den beiden letzten Umfragen geäusserten Aussichten nach unten zu revidieren. So rechnen für das 1. Quartal 1992 per saldo 14 % der Unternehmen mit weiterhin unter dem Vorjahresniveau liegenden Auftragseingängen. Vor allem bei den inländischen Bestellungen zeichnet sich mit einen Saldo von -22 Prozentpunkten noch keine Verbesserung ab, während bei den Auslandorders per saldo 4 % der Befragten höhere Werte als vor zwölf Monaten prognostizieren.

Weiterer Produktionsrückgang

Die Produktion ist im 4. Quartal per saldo bei 33 % der befragten Firmen tiefer als in der entsprechenden Vorjahresperiode ausgefallen. Auch für das 1. Vierteljahr gehen die Unternehmen von einer rückläufigen Produktion aus.

Die Arbeitsvorräte waren Ende Dezember 1991 bei 19 % der Firmen höher, bei 21 % gleich und bei 60 % niedriger als drei Monate zuvor. Auch im laufenden Jahr dürfte der rückläufige Trend anhalten. Für Ende März 1991 prognostizieren mit Ausnahme der Nahrungsmittelindustrie alle Branchen weiterhin unter dem Vorjahresniveau liegende Auftragspolster.

Beschleunigter Personalabbau

Der durchschnittliche Auslastungsgrad der technischen Produktionskapazitäten blieb im Schlussquartal 1991 mit rund 83 % auf dem Stand des Vorquartals. Trotzdem lag die Kapazitätsauslastung noch immer knapp 5 % Prozentpunkte unter dem entsprechenden Vorjahreswert. Für das 1. Vierteljahr 1992 nehmen die befragten Unternehmen an, dass sich der Auslastungsgrad wieder deutlich verschlechtern wird.

Bei der Beschäftigung hat sich der seit Beginn 1991 beobachtbare Personalabbau im 4. Quartal weiter beschleunigt. Zwischen Oktober und Dezember haben per saldo 36 % der Unternehmen ihre Personalbestände verringert; im Verlauf des 3. Quartals hatte dieser Saldo noch -23 Prozentpunkte betragen. Damit wiesen Ende 1991 drei Fünftel der Firmen kleinere und nur ein Fünftel höhere Belegschaften als vor zwölf Monaten auf. Der Personalabbau dürfte im 1. Quartal 1992 anhalten: Per saldo sehen 33 % der Unternehmen eine weitere Freisetzung von Arbeitskräften gegenüber dem Stand von Ende 1991 vor. Im Vorjahresvergleich dürfte sich der Beschäftigungsabbau sogar noch etwas beschleunigen (Saldo: -47 %).

Enttäuschende Umsatzentwicklung

Die Umsatzentwicklung war im 4. Quartal 1991 unbefriedigend. Per saldo wiesen 14 % der Unternehmen unter dem Vorjahresniveau liegende Gesamtumsätze aus. Vor drei Monaten hatten die Firmen noch mit einem leichten Zuwachs gerechnet (Saldo: +3 %). Ein ähnliches Bild ergab sich bei den Exportumsätzen: Anstelle des erwarteten kräftigen Anstiegs stagnierten die Ausfuhrwerte gegenüber der Vorjahresperiode. In dieser Ausgangslage sind die Unternehmen auch für das 1. Quartal 1992 skeptisch gestimmt. Im Vorjahresvergleich gehen per saldo 5 % von kleineren Gesamtumsätzen aus; bei den Exportumsätzen rechnen nur noch 5 % der Befragten mit einem Zuwachs (September-Umfrage: +17 %).

Im Verlauf der letzten drei Monate 1991 sind die Verkaufspreise per saldo nicht mehr erhöht worden. Aufgrund des kräftigen Anstiegs im 1. Quartal 1991 lagen die Preise am Jahresende aber trotzdem bei 61 % der Unternehmen über dem Vorjahresniveau, lediglich 15 % der Befragten melden tiefere Verkaufspreise. Im 1. Quartal 1992 dürfte sich der Preisauftrieb weiter verflachen. Zwar wollen per saldo 29 % der Umfrageteilnehmer ihre Verkaufspreise gegenüber Ende 1991 erhöhen; für die entsprechende Periode des vergangenen Jahres hatte dieser Wert aber noch +39 % betragen.

Für das ganze Jahr 1992 erwarten 60 % der Befragten höhere nominelle Umsätze als 1991, während 25 % einen Rückgang befürchten. Je 20 % der Unternehmen rechnen mit Umsatzzunahmen zwischen 3 und 6 % bzw. von über 6 %. Ein deutlich über dem Durchschnitt aller Branchen liegendes Umsatzwachstum prognostizieren die Nahrungsmittel- und die chemische Industrie. Unterdurchschnittlich sind die Erwartungen hingegen in der Metall-, der Papier-, der Holz- und Möbelindustrie sowie in den grösseren Betrieben der Maschinenindustrie und des graphischen Gewerbes.

Ein ähnliches Bild zeigt die Einschätzung der Exportumsätze für 1992. 63 % der Unternehmen rechnen mit Exportzunahmen gegenüber 1991, 28 % sogar mit einem Zuwachs von über 6 %. Lediglich jede sechste Firma befürchtet eine Abnahme der Ausfuhren. Das Branchenbild deckt sich weitgehend mit demjenigen für die Gesamtumsätze.

Trendwende bei der Ertragslage erwartet

1991 waren die Erträge im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen meldeten tiefere und nur 30 % höhere Netto-Erträge als 1990. Besonders häufig wurden kleinere Firmen von Ertragseinbussen betroffen. In den einzelnen Branchen präsentierte sich die Lage sehr unterschiedlich. Eine überdurchschnittliche Entwicklung verzeichneten die chemische Industrie und die kleineren Betriebe der Nahrungsmittelindustrie. Schlechter als im Mittel aller Branchen wurden die Gewinne in der Metall- und in der Papierindustrie sowie bei den grösseren Unternehmen der Maschinenindustrie eingestuft.

Für 1992 ist eine moderate Verbesserung der Ertragslage in Sicht. Während 40 % der Befragten von einem Aufwärtstrend ausgehen, rechnet nur noch jede vierte Firma mit einer Verschlechterung der Ertragssituation. Überdurchschnittlich häufig wurden positive Ertragsaussichten aus den Reihen der grösseren Unternehmen sowie aus der Maschinen- und der chemischen Industrie gemeldet. Mit weiterhin rückläufigen Erträgen wird hingegen in der Metall- und Papierindustrie sowie im graphischen Gewerbe gerechnet. Bruno Bébié

Baugewerbe

Der seit dem vierten Quartal 1990 anhaltende Rückgang im Baugewerbe setzte sich fort. Gemäss Nationaler Buchhaltung sank die reale Bautätigkeit im 3. Quartal 1991 gegenüber dem Vorjahr um 3,6 %. Kumuliert über die ersten drei Quartale lag die gesamte Bautätigkeit (inklusive Baunebengewerbe) ebenfalls um 3,6 %, das reale Bauvolumen im Bauhauptgewerbe allein gar um 11 % unter den Werten der gleichen Vorjahresperiode. Am deutlichsten bildete sich der Wohnbau zurück, während die Tiefbautätigkeit dank der öffentlichen Aufträge nur wenig abnahm.

Im 4. Quartal 1991 hat sich der Rückgang der Bautätigkeit etwas verlangsamt; die Verändungsrate der realen Bautätigkeit gegenüber dem Vorjahr dürfte mit -1,9 % weniger negativ ausgefallen sein als in den vorangegangenen Quartalen. Per Saldo berichteten 53 % der von der SBG befragten Hochbau- und 59 % der Tiefbauunternehmen von im Vorjahresvergleich rückläufigen Auftragseingängen. Im 3. Quartal 1991 hatten diese Saldi noch -68 % bzw. -63 % betragen. Das Bauvolumen lag laut unserer Umfrage im 4. Quartal per Saldo bei 54 % der Hochbau- und 33 % der Tiefbauunternehmen unter dem Vorjahresniveau, was im Hochbau eine Verschlechterung, im Tiefbau hingegen eine Verbesserung gegenüber dem Vorquartal bedeutet. Der Personalbestand lag nur bei zwei der von der SBG befragten 40 Bauunternehmen höher als vor Jahresfrist, bei 46 % ist er gleichgeblieben, bei der Mehrheit hat er abgenommen. Die Preise für Hochbauleistungen sanken bei zwei Dritteln der antwortenden Baufirmen zwischen September und Dezember 1991 weiter, ein Drittel konnte sie halten. Auch die Tiefbaupreise sanken im gleichen Zeitraum bei per Saldo 68 % der Befragten.

Im 1. Quartal 1992 dürfte sich die Lage im Baugewerbe wieder etwas verschlechtern. Das Bauvolumen wird im Hochbau bei per Saldo 70 %, im Tiefbau bei 52 % der Antwortenden zurückgehen. Der Auftragseingang für Hochbauten dürfte bei 11 % der befragten Bauunternehmen auf Vorjahreshöhe stabil bleiben und bei 89 % abnehmen. Im Tiefbau erwarten per Saldo 48 % der antwortenden Baufirmen einen niedrigeren Bestellungseingang als im 1. Quartal 1991. Umgerechnet auf die gesamte reale Bautätigkeit gemäss Nationaler Buchhaltung würde dies im Vorjahresvergleich einer Abnahme um 2,3 % entsprechen. Der Personalbestand wird bei 82 % der befragten Baufirmen unter dem Vorjahresniveau liegen und bei 18 % gleich bleiben. Die Preise für Hoch- und besonders diejenigen für Tiefbauleistungen sollten zwischen Dezember 1991 und März 1992 weiter sinken: der Saldo zwischen "Steigend"- und "Sinkend"-Meldungen beträgt -24 % bzw. -46 %.

Für das ganze Jahr 1992 erwarten die von der SBG befragten Bauunternehmer einen in allen Sparten sinkenden Auftragseingang. Am wenigsten rückläufig wird sich neben dem Tiefbau der Mehrfamilienhausbau (Saldo von -62 % der Antworten) entwickeln, während der Einfamilienhausbau (-77 %) erneut beträchtlich und der bisher noch resistente Industrie- und Dienstleistungsbau (-89 %) erstmals sogar am stärksten zurückgehen wird. Gemäss unserer Umfrage plant kein einziger Bauunternehmer für 1992 mehr Investitionen in Werkhofbauten oder Maschinenpark als im Vorjahr. 62 % der antwortenden Betriebsleiter werden hingegen weniger Bau- und sogar 82 % weniger Ausrüstungesinvestitionen tätigen als 1991. Rudolf Enz

Detailhandel

Der Detailhandel hat im Schlussquartal 1991 einiges von seinem bisherigen Schwung verloren. Die an unserer Umfrage beteiligten Grossverteiler wurden in ihren vor drei Monaten gehegten optimistischen Umsatzerwartungen leicht enttäuscht. Der Gesamtumsatz lag im 4. Quartal zwar mit nur einer Ausnahme über dem Vorjahresniveau; die Zuwachsrate erreichte jedoch lediglich noch 3 bis 4 % und war damit deutlich tiefer als der Zuwachs von rund 5 % für das Gesamtjahr 1991. Nahrungsmittel verkauften sich durchwegs besser als Non-Food-Artikel. Der Auftrieb der Verkaufspreise hielt nahezu ungebremst an.

Das Weihnachtgeschäft 1991 verlief besser als im Vorjahr, wobei Bekleidungs- und Textilwaren besonders guten Absatz fanden. Die ursprünglich sehr positiven Erwartungen wurden indessen nicht ganz erfüllt, und das in unserer Umfrage ermittelte Wachstum in der Grössenordnung von 3 % dürfte vorwiegend preisbedingt sein. Die gedrückte Konsumentenstimmmung angesichts der ungewissen Konjunktur- und Arbeitsmarktaussichten wurde als wichtigster Spielverderber genannt.

Für das 1. Quartal 1992 sind die Umsatzeinschätzungen etwas verhaltener. Zwar ist die Anzahl jener Unternehmen, die eine weitere Umsatzsteigerung erwarten, gleich hoch wie im 4. Quartal, doch liegen die prognostizierten Wachstumsraten deutlich unter den Werten des Vorquartals. Da zudem die Verkaufspreise vorerst noch kaum verlangsamt weiter steigen werden, wird der reale Detailhandelsumsatz im 1. Quartal lediglich stagnieren. Die Bruttomarge kommt dadurch nach Einschätzung der Grossverteiler tendenziell unter Druck. Christian Frey

Tourismus

Die gute Schneelage in den meisten Schweizer Wintersportorten und das schöne Wettter trugen über die Festtage 1991/92 zu einer positiven Geschäftsentwicklung wesentlich bei. Zwei Drittel der 27 befragten Kurdirektoren aus den wichtigsten Schweizer Wintersportregionen meldeten gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme der Logiernächtezahlen in der Hotellerie. Die Zuwachsraten bewegten sich dabei zwischen 2 und 10 %. Kein einziger der erfassten Wintersportorte verzeichnete eine Abnahme. In der Parahotellerie hielten sich die Anzahl Zunahme- und Unverändert-Meldungen etwa die Waage. Dabei zeichneten sich regional unterschiedliche Trends ab. Während in Graubünden, der Ost- und Zentralschweiz sowie im Berner Oberland mehrheitlich vor allem die Hotelübernachtungen im Aufwind lagen, meldeten die befragten Kurdirektoren wichtiger Wintersportorte im Wallis und in der Westschweiz eine stärkere Zunahme in der Parahotellerie. Gemäss Umfrage-Ergebnissen konnten die Bergbahnen und Skiliftbetriebe in vier Fünftel der Wintersportorte ihre Frequenzen steigern.

Für die gesamte laufende Wintersaison 1991/92 (November bis April) bleiben die Aussichten in den wichtigsten Wintersportorten weiterhin optimistisch. Zwei Drittel der befragten Kurdirektoren rechnet mit einer höheren Anzahl Nächtigungen in der Hotellerie. In keinem Ort wird ein Rückgang erwartet. Zu diesem Ergebnis dürften aufgrund des heutigen Buchungsstandes die inländischen und die ausländischen Gäste etwa in gleichem Ausmass beitragen. Ein verstärkter Zustrom ausländischer Feriengäste im Schweizer Tourismusgewerbe insgesamt wird insbesondere aus Deutschland und Italien erwartet. Während sich bei den Gästen aus Frankreich, Grossbritannien, Niederlande, Belgien/Luxemburg und Japan eine stagnierende Tendenz abzeichnet, wird aus den USA hingegen mit einem verringerten Zustrom von Touristen gerechnet. Irene Meier

Gatt: Gegenpol zu Handelsblöcken

Die Tendenz zur Bildung von regionalen Handelsblöcken erschwert zunehmend den weltweiten Warenverkehr. Die Leidtragenden sind vor allem Entwicklungsländer. Ein positiver Abschluss der aktuellen Gatt-Gespräche ist im Interesse des Welthandels dringend geboten.

Gespräche über das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) sind seit 1986 unter der Bezeichnung Uruguay-Runde im Gang. Ein Abschluss der Gespräche steht bevor, doch ist noch nicht klar, ob ein Konsens der grossen Handelsnationen über die zukünftige Handelspolitik zustande kommt. Wegen der unterschiedlichen Interessenlage in der Agrarfrage besonders seitens der EG und der Vereinigten Staaten ist die Unterzeichnung der neuesten Gatt-Verträge gefährdet. Die zu beobachtende Zunahme der Bildung von Handelsblöcken bedeutet für zahlreiche Entwicklungsländer und kleinere Industrieländer einen erschwerten Marktzugang. Um dieser negativen Entwicklung zu begegnen, bietet sich die Stärkung des Gatt als Gegengewicht zu den Handelsblöcken an. Der Handel als bedeutender Wachstumsfaktor wird vor allem für Länder mit rasch zunehmender Bevölkerung immer wichtiger. Viele Entwicklungsländer haben ihre Wirtschaft deshalb in den vergangenen Jahren für die internationale Konkurrenz geöffnet und ihre Exporte gesteigert.

Die Handelsblöcke gewinnen an Gewicht

Während die Freihandelszonen der EG und der EFTA bereits bestehen und in absehbarer Zeit zum Europäischen Wirtschaftsraum verschmelzen dürften, ist das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) mit den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko erst in der Diskussionsphase. Das NAFTA dürfte sich jedoch vor Ende der 90er Jahre formiert haben. Diese beiden grossen Handelsblöcke üben einen beträchtlichen Druck auf die asiatischen Länder aus, ihrerseits Blöcke zu bilden. Bereits besteht die ASEAN, die Verbindung südostasiatischer Staaten. Es ist denkbar, dass auch Japan sein wirtschaftliches Umfeld in absehbarer Zukunft stärker zu organisieren beginnt, was die wirtschaftliche Kraft der Region weiter vergrössern würde.

Die Blockbildung verändert die Handelsströme in bedeutender Weise. Der Handel innerhalb der Freizonen nimmt aufgrund der verminderten Zölle und dem Abbau der übrigen Hemmnisse zu. Der Austausch mit Staaten ausserhalb der Handelszone unterliegt dagegen in der Regel steigenden Restriktionen und wird deshalb behindert. Während heute viele Industrieländer die Blockbildung forcieren und damit ihre Wirtschaft gegen die nicht zugehörigen Länder abschotten, besteht eine dazu gegenläufige Bewegung in vielen Entwicklungsländern, die ihre Wirtschaftsbeziehungen liberalisieren und gegenüber dem internationalen Handel öffnen.

Der Zugang zu den grossen Märkten der Industrieländer, die rund 80 % des Welthandels kontrollieren, ist für die Entwicklungsländer entscheidend. Das Wachstum ihrer Wirtschaft hängt stark von der Konjunktur in den Industrieländern ab. Ein Wachstum der OECD-Länder um 1 % bewirkt gemäss Schätzungen der Weltbank eine Zunahme des Wachstums in den Entwicklungsländern um durchschnittlich 0,7 %. Dagegen drückt eine Erhöhung des durchschnittlichen Zinssatzes in den Industrieländern um 1 % das Wachstum der Entwicklungsländer um rund 0,2 %. Zudem sind diese Länder, vor allem in Afrika, teilweise aber auch in Asien und in Lateinamerika, gegenüber dem In- und Ausland hoch verschuldet. Ihre Chance zum Abbau der Auslandschulden liegt nicht in einem Schuldenerlass, da ein solcher gerade von den Geschäftsbanken begreiflicherweise nur zögernd gewährt wird. Die aussichtsreichste Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Wirtschaftslage liegt in zunehmenden Exporten, gekoppelt mit Direktinvestitionen aus den Industrieländern.

Gatt als Anwalt des globalen Handels

Das Gatt hätte in dieser Situation eine wichtige Rolle zu spielen. Seine Aufgabe liegt in der Realisierung eines möglichst freien Welthandelssystems. Aufgrund der heutigen Produktionsgegebenheiten, wo Entwicklung, Montage und Vertrieb eines Produkts vermehrt in unterschiedlichen Ländern erfolgen, sind nicht mehr allein Güter Verhandlungssache beim Gatt, sondern unter anderem auch handelsbezogene Dienstleistungen und der Schutz geistigen Eigentums. Die zu beobachtenden protektionistischen Tendenzen der Industrieländer gefährden jedoch die Bemühungen um die Ausweitung der Gatt-Regeln. Diese haben in den vergangenen rund 40 Jahren dazu beigetragen, die Zölle von ungefähr 40 % auf nur noch rund 3 % zu senken. Dagegen konnten sie nicht verhindern, dass immer mehr nichttarifäre Behinderungen wie zum Beispiel Importlizenzen, Währungs- und Preiskontrollen oder freiwillige Exportbeschränkungen eingeführt wurden. Der Abbau dieser Behinderungen würde der gesamten Weltwirtschaft ein bedeutendes zusätzliches Wachstum ermöglichen.

Besonders für die nicht in einem Handelsblock organisierten Entwicklungsländer ergäben sich zusätzliche Einkommensquellen, die neben dem Export von Waren auch die Ausfuhr von Dienstleistungen, wie zum Beispiel Tourismus und Bank- und Versicherungsleistungen, umfassen. Die Einnahmen in fremder Währung würden damit regelmässiger fliessen.

Direktinvestitionen anstelle von Auslandkrediten

Die Liberalisierungsanstrengungen haben in verschiedenen Entwicklungsländern zu einem beträchtlichen Zufluss von Direktinvestitionen geführt, die zum überwiegenden Teil aus den Industrieländern stammen. Die Entwicklungsländer hatten 1988 einen Anteil an den gesamten weltweiten Direktinvestitionen von insgesamt 21 %, wobei allerdings je 9 % auf wenige asiatische und lateinamerikanische Länder entfielen. In den vergangenen drei Jahren sind noch vermehrt Direktinvestitionen in Entwicklungsländern vorgenommen worden, einerseits wegen des verbesserten wirtschaftlichen Umfelds, anderseits auch wegen besseren Wachstumsaussichten im Vergleich zu den Industrieländern. Die Direktinvestitionen sind oft an die Stelle der Auslandkredite getreten und haben in wesentlichem Mass geholfen, die Zahlungsfähigkeit einzelner Länder zu verbessern.

Daneben hat die wirtschaftliche Sanierungstätigkeit vieler Regierungen auch einen erheblichen Zufluss von Portfolio-Investitionen ausgelöst, der an den jeweiligen Börsen einen bemerkenswerten Aufschwung ermöglichte. Spektakulär wuchsen 1990 und 1991 die Börsen der lateinamerikanischen Länder (ausgenommen Brasilien). Auch die Aktienmärkte von Indien, Pakistan, der Türkei und Zimbabwe haben in dieser Zeit kräftig zugelegt. Verstetigt sich dieser Zustrom (insbesondere Rückfluss von Fluchtkapital) aufgrund von Wirtschaftsreformen und attraktiver Anlagemöglichkeiten, so sind für die entsprechenden Länder verbesserte Wachstumschancen zu erwarten.

Ausblick

Die aktuellen Kontroversen um den Gatt-Abschluss in den Industrieländern dürfen nicht davon ablenken, dass die Bildung von Handelsblöcken allen Nichtmitgliedern erhebliche Exporterschwernisse auferlegt. Nachdem zahlreiche Entwicklungsländer ihre Wirtschaft liberalisiert und damit die Bedingungen des Gatt vorweggenommen haben, liegt es nun an den grossen Handelsnationen, die Voraussetzungen für den freien Transfer von Gütern und Dienstleistungen auch weltweit zu verbessern. Dies würde auch den bis anhin wenig in den Welthandel integrierten Entwicklungsländern die Chance für vermehrten Handel eröffnen. Ein freier Aussenhandel ist eine wichtige Voraussetzung, um die Wirtschaft der Entwicklungsländer auf Wachstumskurs zu bringen und somit auch der Gefahr von stärkeren Einwanderungsströmen in die Industrieländer vorzubeugen. Dennoch sind selbst bei einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen noch viele Probleme ungelöst. Einmal dauert die Durchsetzung der beschlossenen Massnahmen mehrere Jahre, weil der Abbau der nichttarifären Hemmnisse nur langsam vor sich geht. Zudem muss eine nächste Gatt-Runde als eines der vordringlichsten Probleme die Umweltfrage im Zusammenhang mit dem Handel angehen müssen. Peter Britt

Für eine vertiefte Information bezüglich der laufenden Gatt-Runde und ihrer Auswirkungen auf die Entwicklungsländer verweisen wir auf den SBG-Standpunkt Nr. 64 vom 18. Dezember 1991. Er kann -- solange vorrätig -- kostenlos bei folgender Adresse bestellt werden: Schweizerische Bankgesellschaft, Abt. Volkswirtschaft, Postfach, 8021 Zürich, Tel. (01) 234 42 43.

Gutes Kurspotential 1992 bei selektivem Einstieg

Die monatelang gedrückte Stimmung an der Schweizer Börse hat sich seit Jahresbeginn deutlich aufgehellt. Bei zunehmenden Umsätzen hat sich der SPI von seinem Jahresendstand von 1052,8 Punkten bereits um 5,7 % auf 1112,9 Punkte (16.1.) verbessert. Anzeichen einer Wende bei den Zinsen und eine darauf aufbauende freundliche Obligationenbörse ermutigen die Investoren. Im internationalen und im historischen Vergleich sind schweizerische Aktien noch immer günstig bewertet. Wir erwarten ein Kurspotential von über 10 % für 1992. Unsere favorisierten Branchen sind vor allem die Versicherungen und Aktien der international tätigen Chemie- und Pharmaunternehmen.

Der deutsche Aktienindex DAX strahlte ebenfalls Optimismus aus: Seit dem Jahresendstand gewann er 5,6 % auf 1666,3 Punkte am 16.1.. Erfahrungsgemäss reagiert die deutsche Börse empfindlich auf schlechte Nachrichten aus Osteuropa. Dennoch sind die Aussichten am Aktienmarkt mittelfristig gut, insbesondere im Hinblick auf das grosse Potential für Zinssenkungen. Der voraussichtlich erstarkende Dollar verbessert die Erträge der exportorientierten Unternehmen. Da die Performance deutscher Titel international gesehen noch immer etwas zurückgeblieben ist, rechnen wir mit Kurssteigerungen bis zu 15 % im laufenden Jahr, insbesondere für Werte aus der Elektrotechnik und aus dem Finanzbereich.

Trotz der Pfundschwäche und der Unsicherheit über die Wahlaussichten der konservativen Partei nahm auch die britische Börse an der Jahresanfangs-Hausse teil. Der FT-SE 100-Index avacierte bis zum 16.1. auf 2547 Punkte. Die Anleger nahmen damit aufgrund erster Anzeichen den lange erwarteten Konjunkturaufschwung vorweg. Kurzfristige Enttäuschungen durch niedrigere Unternehmensgewinne als erwartet sind allerdings nicht auszuschliessen. Aus fundamentaler Sicht besteht zwar ein Aufholpotential über 15 %, aber mittelfristig sollten defensive und erst längerfristig zyklische Werte gewählt werden. Wir bevorzugen den Pharma- und den Nahrungsmittelbereich.

Die weltweiten Kurshaussen waren durch die Diskontsatzsenkung in den USA zu Weihnachten ausgelöst worden. Der Dow-Jones-Industrie-Index eilte seit Anfang des Jahres von einer historischen Höchstmarke zur nächsten (15.1.: 3258,5). Eine Verschnaufpause oder eine kurzfristige Korrektur sind nicht auszuschliessen, aber die niedrigen Zinsen geben dem Markt nach unten eine gute Stütze. Amerikanische Aktien sind im historischen Vergleich eher hoch bewertet; dies gilt insbesondere im Hinblick auf die schwachen Quartalsergebnisse der Gesellschaften, die sich erst dieses Jahr verbessern dürften. Wir setzen auf Konsumgüter (Tabak, Nahrungsmittel, Restaurants, Haushaltsgeräte) und Kapitalgüter (Abfallbeseitigung, Engineering and Construction, Elektrotechnik). Das Aufwärtspotential für 1992 schätzen wir auf rund 10 %.

Obwohl Japan von den wichtigen Industieländern noch immer die beste Konjunktur aufweist, ist die Stimmung an der Börse gedrückt. Die Kurse fielen teilweise unter die Tiefststände von 1988, 1990 und 1991: Der Nikkei-225-Index schloss am 16.1. auf 21'612 Punkten. Weil die Anleger davon ausgehen, dass die Zinsen weiter sinken werden, fliessen die Mittel zu einem grossen Teil noch immer in festverzinsliche Papiere. Die zu erwartende Entspannung an der Zinsfront wird die Aktienkurse nach unten absichern. Erst im März dürften jedoch die enttäuschenden Unternehmensgewinne in den Kursen enthalten sein und die besseren Gewinnschätzungen für das Geschäftsjahr 1992/93 den Notierungen neuen Auftrieb geben. Im Moment befinden sie sich auf einem attraktiven Kaufniveau. Im Sinne eines antizyklischen Anleger-Verhaltens sollten Technolgie-, Bau- und Versorgungsaktien im Vordergrund stehen, denen wir auf ein Jahr ein Potential von über 15 % zubilligen. S. Mehlisch

Weit geöffnete Zinsschere über dem Atlantik

Das an Zinsausschlägen reichlich dotierte Jahr 1991 hat den internationalen Finanzmärkten auch in seiner Endphase ein gerüttelt Mass an Bewegung beschert. Leitzinsveränderungen in entgegengesetzter Richtung dies- und jenseits des Atlantiks weiteten nicht nur die offizielle Zinsschere zwischen den USA und Europa auf lange Zeit nicht mehr gesehene Dimension aus. Vor allem die Diskontsatz-Ermässigungen in den USA und in Japan gingen im Gegensatz zu den früheren entsprechenden Schritten dem Markttrend voraus und setzten damit eindeutige wirtschaftspolitische Signale. Nicht weniger klar verständlich war das wiederholte stabilitätspolitische Bekenntnis der deutschen Bundenbank in Form einer weiteren Drehung der Zinsschraube. Nach diesen schrillen Dissonanzen haben die ersten paar Wochen 1992 die Möglchkeit einer Annäherung der Zinssätze angedeutet, indem sich die Märkte in Europa leicht entspannten und in den USA bzw. Japan konsolidierten.

Fed-Liste mit dem Zaunpfahl

Die anhaltend schwache amerikanische Konjunkturverfassung hat nach den politischen Instanzen offenbar auch bei der Notenbank Alarm ausgelöst. Bereits Anfang Dezember, nachdem eine erneute Verschlechterung der Arbeitsmarktlage bekannt geworden war, schleuste das Federal Reserve zusätzlich Liquidität in den Markt und drückte damit den Tagesgeldsatz auf das damalige Niveau des Diskontsatzes von 4,5 %. Dieser vor allem optisch wichtige Leitsatz wurde sodann am 20. Dezember um einen vollen Prozentpunkt auf 3,5 % gesenkt, den tiefsten Stand seit 1964. Sowohl das ungewöhnlich hohe Ausmass dieser Geldverbilligung als auch ihr Zeitpunkt (ein Tag nach der deutschen Leitzinserhöhung) gaben dem Markt etliche Rätsel auf. Wollte das Fed den verbreiteten Konjunkturpessimismus bekämpfen, so könnte die dramatische Zinsmassnahme ohne weiteres auch kontraproduktiv wirken. Auch die Variante, mit der geldpolitischen Lockerung einem grösseren fiskalpolitischen Aktivismus zuvorzukommen, weist etliche Tücken auf, denn ein sichtbarer Erfolg stellt sich für den Kongress in einem Wahljahr bestimmt nicht früh genug ein. Die Märkte gaben sich immerhin vorerst zuversichtlich, indem sie einen guten Teil der Zinsermässigung nachvollzogen: Die Renditen auf Treasury Bills rutschten unter 4 % ab, jene auf Staatsanleihen mit 10 Jahren Restlaufzeit gaben zeitweise bis 6,75 % nach. Erst Anfang Januar 1992 machte sich wieder eine leichte Versteifung breit.

Nachziehen Japans

Die Bank of Japan hat ihren Diskontsatz ebenfalls weiter herabgesetzt, und zwar um 1/2 %-Punkt auf 4,5 % per 30. Dezember. Dieser Zeitpunkt kam wie im Falle der USA überraschend frühzeitig; als Begründung wurde die nachlassende Wirtschaftsaktivität bei veringerter Inflationsgefahr in den Vordergrund gestellt. Es war indessen unverkennbar, dass dadurch die Angriffsflächen für die amerikanische Handelspolitik im Vorfeld des Japan-Besuchs von Präsident Bush verringert werden sollten -- mit etlichem Erfolg, wie sich nachträglich herausstellte. Zumindest hat sich der Aussenwert des Yen gegenüber dem Dollar bereits deutlich gefestigt, was einen Abbau des hohen japanischen Handelsüberschusses gegenüber den USA einleiten sollte. Obwohl das Zinsniveau Nippons im kurz- und langfristigen Bereich seit dem letzten Höchststand von Mitte 1991 um 2,7 bzw. 1,5 %-Punkte gefallen und die Zinsertragskurve damit flach geworden ist, bleiben die Realzinsen angesichts der ebenfalls rückläufigen Teuerung hoch. Eine weitere geldpolitische Lockerung im Verlauf des Frühjahrs ist daher nicht auszuschliessen, auch wenn im Januar die Märkte zunächst in eine Konsolidierungsphase eintraten.

Bundesbank unbeirrt auf Stabilitätskurs

Die deutsche Bundesbank, und mit ihr durch das EWS-Korsett die meisten übrigen Zentralbanken Europas, blieb ungeachtet der ebenfalls verlangsamten konjunkturellen Dynamik auf ihrer restriktiven Linie. Die ins Wanken geratene Geldwertstabilität, die durch überhöhte Tarifforderungen der Gewerkschaften zusätzlich bedroht schien, veranlasste sie am 19. Dezember zu einer erneuten Erhöhung der Leitzinsen um 1/2 %-Punkt. Diskont- und Lombardsatz langten dabei mit 8 % bzw. 9,75 % auf dem höchsten Stand seit 1948 an. Unmittelbar schlossen sich die Notenbanken der EWS-Länder Niederlande, Belgien und Dänemark sowie auch die österreichische Nationalbank mit analogen Schritten der deutschen Vorgabe an; die Banque de France und die Banca d'Italia waren dazu erst ein paar Tage später unter dem Druck der Devisenmärkte bereit, und die Bank of England nahm als Preis fürs Abseitsstehen eine Pfundschwäche in Kauf. Generell liess auch der Reigen publizierter Geldmengenziele in Kontinentaleuropa auf eine weiterhin zurückhaltende Liquiditätsversorgung schliessen. Gleichwohl stiegen die Märkte relativ zuversichtlich ins neue Jahr, indem vor allem die Renditen auf Staatsanleihen leicht nachgaben.

Leichte Entspannung am Frankenmarkt

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sah für einmal keine Notwendigkeit, sich an der europäischen Leitzinsrunde vom Dezember zu beteiligen. Der Lombardsatz ist ohnehin variabel und folgt mit einer Spanne von 2 %-Punkten den Bewegungen des Tagesgeldsatzes; dem offiziellen Diskontsatz kommt angesichts der geringen Dimension des Wechselgeschäfts in der Schweiz nicht die selbe Bedeutung wie im Ausland zu, und eine Anpassung hätte allenfalls eine Signalfunktion über den Restriktionsgrad der Geldpolitik gehabt. Eine zusätzliche Straffung der Liquiditätsversorgung stand indes im rezessiven Umfeld der Gesamtwirtschaft nicht zur Debatte. Obwohl die SNB wiederholt die Notwendigkeit zur Beibehaltung des bisherigen Kurses betonte und dies mit dem unveränderten mittelfristigen Wachstumsziel der Notenbankgeldmenge von 1 % p.a. unterstrich, entstand vielmehr der Eindruck, dass eine marginale Lockerung im Gange sei. Allerdings fand die leichte Rückbildung der Eurofrankensätze, die kurz vor Ende Dezember einsetzte, vor dem Hintergrund einer Entspannung auch auf anderen wichtigen Finanzmärkten Europas statt. Der gegenüber D-Mark und übrigen EWS-Währungen schwach tendierende Franken wurde jedoch von der SNB nicht zinspolitisch gestützt.

Eine deutliche Entspannung erlebte auch der schweizerische Anleihensmarkt. Die Durchschnittsrendite eidgenössischer Obligationen bildete sich zwischen Anfang Dezember 1991 und Mitte Januar 1992 um rund 0,5 %-Punkt auf 6,17 % zurück. Auch diese Entwicklung wurde vom globalen Zinstrend unterstützt, doch fanden sich auch einheimische Bestimmungsfaktoren zugunsten tieferer Kapitalkosten. Neben der schwachen Konjunktur, die allerdings von einem wachsenden Mittelbedarf der öffentlichen Haushalte begleitet wird, ist dies vor allem die Erwartung einer endlich sichtbaren Rückbildung der Teuerungsrate im Gefolge der langen geldpolitischen Restriktionsphase. Ausserdem wurde immer klarer, dass es sich beim ausgeprägten Renditeanstieg von Ende Oktober 1991 weniger um einen grundlegenden Anpassungsprozess an das europäische Niveau als vielmehr um eine Überreaktion gehandelt hatte, die nun -- möglicherweise erneut "überschiessend" -- korrigiert worden ist. Dennoch ist das Zinsrückgangspotential infolge des internationalen Zinszusammenhangs und des schleppenden Inflationsrückgangs bis auf weiteres nicht allzu hoch einzustufen. Chr. Frey

Wiederholung der Geschichte

An den Devisenmärkten hat das neue Jahr nicht nur furios begonnen, sondern auch verblüffende Parallelen zur Zeit um die Jahreswende 90/91 aufgedeckt. Heute wie damals tendier(t)en die Geldmarktzinsen in den Vereinigten Staaten und in Deutschland wegen der unterschiedlichen Konjunkturphasen und damit Interessenlagen der beiden führenden Industrieländer auseinander. Zur Erinnerung: Am 31. Januar 1991 hatte die Deutsche Bundesbank als Warnschuss vor den Bug ausgabenfreudiger Politiker und der Tarifpartner die Leitzinsen um je 50 Basispunkte erhöht und war dafür vom Ausland kritisiert worden. Tags darauf senkte das Fed vor dem Hintergrund massiver Arbeitsplatzverluste den Diskontsatz um einen halben Prozentpunkt und musste dafür eine Abschwächung des Dollars hinnehmen. Schon damals (wie heute) liess die Administration Bush verlauten, das Fed habe genügend Spielraum für weitere Zinsreduktionen.

Die zeitliche Abfolge und die Ursachen der jüngsten Zinsentscheide waren praktisch dieselben wie vor 11 Monaten; nur fanden sie diesmal bereits vor dem Jahresende statt. So hob die Bundesbank am 19. Dezember die Leitzinsen um je 50 Basispunkte an, und das Fed nahm tags darauf den Diskontsatz um einen vollen Prozentpunkt zurück. Erneut kam der Dollar unter Druck und die Bundesbank wurde gescholten, mit dem Unterschied allerdings, dass auch aus dem Inland negative Stimmen laut wurden. Anders als vor Jahresfrist jedoch wurde der Dollar von den Notenbanken nicht gestützt. Erstaunlich auch die Tatsache, dass die inzwischen in Gang gekommene markante Aufwärtsbewegung der US-Valuta wiederum -- wie schon im Frühjahr 1991 -- im wesentlichen auf der Annahme beruht, die amerikanische Wirtschaft stehe vor einem kräftigen Aufschwung. War es damals das Ende des Golfkrieges, welche Euphorie aufkommen liess, so basiert diesmal der Optimismus auf der Hoffnung, die langanhaltenden Lockerungsmassnahmen des Fed würden endlich Früchte tragen. Der Dollar war im Frühjahr 1991 von Fr. 1.23 (Rekordtief) am 7. Februar um 10,8 % auf Fr. 1.37 am 12. März geklettert und hatte damit erste Bremsversuche der Notenbanken ausgelöst. Diesmal ist das Rally bislang von Fr. 1.3395 am 27. Dezember auf Fr. 1.4460 am 15. Januar (+8,0 %) gediehen. Sollte es zu Interventionen der Notenbanken kommen, wäre eine weitere Parallelität zum Vorjahr hergestellt.

Dollar-Hoch trotz Zins-Tief

Kursverlauf $/Fr.: 1.4240 (2. Dezember), 1.3365 (27.), 1.4460 (15. Januar), 1.4320 (17.). Der Devisenhandel verlief im Dezember ungewöhnlich lebhaft, obwohl die Umsätze in Verbindung mit der Weihnachtszeit naturgemäss tief waren. Da der verbale Zweckoptimismus durch die veröffentlichten Wirtschaftsindikatoren einmal mehr nicht bestätigt wurde, entschied sich das Fed für eine nochmalige Lockerung der Zinsschraube und senkte den Diskontsatz von 4,5 % auf 3,5 %. Gleichzeitig wurde der Zinssatz für Federal Funds weiter auf 4 % herabgesetzt. Die teils eklatante Zinskluft zwischen den USA und den anderen Industrieländern setzten negative Akzente, so dass der Dollar gegenüber dem Franken auf den tiefsten Stand seit dem März 1991 abglitt. Der vor dem Jahresende einsetzende Stimmungsumschwung gründete auf der auffallenden Zukunftsgläubigkeit an der Wall Street (neue Rekordhöchst), DM-Gewinnmitnahmen sowie Gerüchten, beim nächsten G7-Treffen würde von den Europäern auf eine Stärkung des Dollars gepocht werden. Die Zunahme der Arbeitsplatzzahl in den USA im Dezember, die Machtkämpfe in Georgien und die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine liessen den Dollar weiter vorrücken.

Zinsbonus für D-Mark verpufft

Kursverlauf $/DM: 1.6110 (2. Dezember), 1.5030 (27.), 1.6275 (15. Januar), 1.6120 (17.). DM/Fr. 88.45 (2. Dezember), 89.41 (9. Januar), 88.62 (17.). Die Bundesbank machte mit dem Geldmengen-Wachstumsziel per 1992 (3,5 bis 5,5 % für M3) und der Leitzinserhöhung deutlich, dass sie sich durch externen Druck nicht von ihrem auf Wahrung der gefährdeten Geldwertstabilität gerichteten Kurs abbringen lässt. Die D-Mark lag deshalb vorerst im Aufwind, korrigierte dann aber angesichts von Streikdrohungen, der Diskussion über die Risiken in den GUS-Staaten und der erwarteten Abflachung des Wirtschaftswachstum in Deutschland deutlich nach unten.

Sterling Schlusslicht im EWS

Kursverlauf £/$: 1.7785 (2. Dezember), 1.8885 (27.), 1.7515 (16. Januar), 1.7685 (17.) Premierminister Major verbuchte zwar am Maastrichter EG-Gipfel einen Erfolg, indem Grossbritannien das Recht zugesprochen wurde, bei der Einführung der Europäischen Währungsunion (spätestens 1.1.1999) auszuscheren. Geholfen hat dies dem Pfund aber kaum. Die hartnäckige Rezession, die Zinserhöhung in Deutschland und Gerüchte über eine mögliche Pfundabwertung oder evtl. sogar einen Ausstieg aus dem EWS liessen Sterling bis auf DM 2.83 abgleiten.

Yen auf Dreijahres-Höchst

Kursverlauf $/Yen: 130.05 (2. Dezember), 122.85 (7. Januar), 128.70 (15.), 127.45 (17.). Die am 30. Dezember von der Bank of Japan verfügte Diskonsatzsenkung von 5 % auf 4,5 % verkraftete der Yen deshalb so gut, weil der Markt davon ausging, dass sich Tokio anlässlich des Besuches von US-Präsident Bush zwecks Abbaus des hohen bilateralen Handelsbilanzüberschusses bereit erklären würde, eine Aufwertung des Yens zuzulassen. Die substanzarme gemeinsame Erklärung nach dem Meeting enthielt keine derartige Absichtserklärung, und der Yen wurde in der Folge gegenüber dem Dollar wieder etwas zurückgestuft. H. Theiler

Noch keine nachhaltigen Impulse

Die Edelmetallmärkte verharrten über die Jahreswende in der Lethargie, die bereits das ganze Jahr 1991 ausgezeichnet hatte. Die ungünstigen Konjunkturaussichten, die die Inflationsbefürchtungen in den Hintergrund drängten, und die vor allem im langfristigen Bereich noch relativ hohen Realzinsen dämpften die Kauflust. Auch die anhaltende Ungewissheit über die Goldreserven der ehemaligen Sowjetunion liess kein nachhaltiges Anlegerinteresse aufkommen. Umso mehr wirkten sich negative Nachrichten aus, welche die physische Nachfrage, insbesondere der auch als Industrierohstoffe bedeutsamen Edelmetalle Platin und Silber, betrafen.

Das vor allem für die Herstellung von Katalysatoren benötigte Platin erlitt als Folge der vom grössten amerikanischen Automobilkonzern angekündigten einschneidenden Restrukturierungsmassnahmen in der zweiten Dezemberhälfte einen markanten Kurseinbruch. Dabei sanken die Notierungen massiv unter den Goldpreis. Zeitweise betrug die Differenz über 20 $/Unze. Zudem wurde Anfang Januar mit 330,5 $/Unze ein Siebenjahres-Tief erreicht.

Auf den Preis des in der Industrie vielseitig verwendeten Silbers drückten die zahlreichen ungünstigen Wirtschaftsmeldungen, insbesondere aus den USA, welche die Hoffnungen auf einen baldigen Aufschwung dämpften. Bereits in der ersten Dezemberhälfte rutschten die Unzennotierungen unter die 4 $-Grenze. Gegen Mitte Januar wurde diese allerdings als Folge einer verstärkten Nachfrage aus dem Mittleren und Fernen Osten, die den Auftakt zu einer leichten Hausse des weissen Metalls bildete, wieder überschritten.

Die Goldnotierungen wiesen einen vorwiegend sinkenden Trend auf. In den ersten Dezembertagen stiegen sie allerdings bis auf 371 $/Unze, einen Stand, den sie seit Mitte Juli letzten Jahres nicht mehr erreicht hatten. Dabei dürfte sich vor allem das sich abzeichnende Ende der Sowjetunion preisstützend ausgewirkt haben. Anschliessend begann jedoch ein kontinuierlicher Rückgang. Als Folge der schlechten Konjunkturaussichten liess das Anlegerinteresse erneut nach. Die im laufenden Jahr zu erwartende Verminderung der Goldlieferungen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken vermochte das Marktgeschehen auch nicht mehr zu beinflussen. Der Goldpreis sank deshalb anfangs Januar kurzfristig unter die Marke von 350 $/Unze. Wenig später wurde er jedoch von der Silberhausse mit einem Tagessprung von 7 $/Unze wieder nach oben gerissen.

Am xx. Januar notierte Gold bei xxx.xx $/Unze, Silber bei x.xx $/Unze und Platin bei xx.x $/Unze. W.Beckmann