Kaufkraftparitätskurs als langfristiger Orientierungspunkt
Nur allzu oft scheint sich kurzfristig die Wechselkursentwicklung der ökonomisch sinnvollen Argumentation zu entziehen. Um so wichtiger ist es zu wissen, wo sich ein wie auch immer definierter "Gleichgewichtskurs" befindet. Einen Hinweis kann die Langfristbetrachtung geben, wie sie z.B. in der relativen Kaufkraftparitätstheorie zum Ausdruck kommt. Danach sollten die prozentualen Wechselkursveränderungen den Veränderungen der Inflationsdifferenzen zwischen den zwei Ländern entsprechen. Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt, dass diese Gleichgewichtsbeziehung zumindest kurzfristig wenig zur Erklärung von Wechselkursschwankungen beiträgt. Die beobachteten Abweichungen von der Kaufkraftentwicklung lassen sich zum Teil auf internationale Kapitalbewegungen und Leistungsbilanzschwankungen zurückführen, die zeitweise weitgehend losgelöst von den Preisrelationen auftreten. Diese Faktoren können den Einfluss der Kaufkraftentwicklung kurzfristig vollständig überlagern. Dabei spielen bei den Kapitalbewegungen Gesichtspunkte wie die Verzinsung, die Sicherheit der Kapitalanlage und der Diversifikationseffekt der Anlagemittel, aber auch politische Erwägungen, eine erhebliche Rolle. Wie die nachfolgenden Abbildungen belegen, folgen die Wechselkurse aber mittel- bis langfristig recht zuverlässig dem Paritätskurs, weshalb die Kaufkraftparitätstheorie als Basis für die längerfristig erwartete Entwicklung der Wechselkurse verwendet werden kann.
Unsere Berechnung der Paritätskurse geht davon aus, dass die Kaufkraftparität innerhalb des Stützbereichs (1. Quartal 1974 bis 2. Quartal 1990) im Durchschnitt erfüllt ist. Als Referenzpreise dienen die Konsumenten- (KP) und Grosshandelspreise (GP). Unter Paritätskurs (KKP) verstehen wir jenen Kurs, der sich dann einstellen müsste, wenn der Wechselkurs auch kurzfristig den Inflationsunterschieden folgen würde. Ein Vergleich der Paritätskurse mit den Kassakursen erlaubt eine Aussage über die aktuelle Bewertung einer Währung (Unter- oder Überbewertung) sowie eine Aussage über die mutmassliche längerfristige Entwicklungstendenz. Obwohl der Paritätskurs häufig als das längerfristig "richtige" Wechselkursniveau bezeichnet wird, ist diese Aussage nur unter bestimmten restriktiven Annahmen zulässig.
Zusätzliche Berechnungen von Kaufkraftparitäten sind im VOWI-Standpunkt No. 26
der SBG-Abteilung Volkswirtschaft erschienen. Dieser kann unter Tel. (01) 234
49 22 kostenlos bezogen werden.
Dr. Max Bigler
Exportintensive kleine Volkswirtschaften
Gemäss der vor kurzem publizierten Welthandelsstatistik des GATT erhöhten sich die globalen Güterausfuhren 1989 um rund 7,5 % auf 3,1 Bio US-Dollar. In absoluten Grössen entfiel davon der Hauptanteil naturgemäss auf die grossen Industrieländer; allein die G7-Staaten vereinigten knapp 51 % des Totals auf sich. Nach drei Jahren eroberten die USA die Führung im Weltexport zurück und verdrängten die BR Deutschland wieder auf den zweiten Platz. Dabei profitierten sie von ihrem im Vergleich zur BRD grösseren Realwachstum der Ausfuhren sowie von der Dollaraufwertung. Unangefochten auf Platz 3 blieb Japan, während hinter den führenden westlichen Industrieländern die Sowjetunion trotz eines 2 %igen Exportrückgangs den 8. Rang hielt.
In relativierter Betrachtung gewinnen jedoch die kleineren Industrienationen und Schwellenländer erheblich an Bedeutung als wichtige Exportstaaten. Pro Kopf ihrer Bevölkerung wiesen 1989 die beiden südostasiatischen Handelsdrehschreiben Singapur und Hongkong mit beinahe 17'000 bzw. 13'000 $ die klar höchsten Ausfuhren auf, gefolgt von den kleineren europäischen Volkswirtschaften Belgien/Luxemburg, Schweiz und Niederlande. Auch bezüglich des Exportanteils am Bruttoinlandprodukt (BIP) ergibt sich ein ähnliches Bild: Während die Ausfuhren Singapurs und Hongkongs das jeweilige BIP 1989 sogar klar übertrafen und auch im Falle Taiwans und Koreas substantielle Quoten erreichten, finden sich unter den entwickelten Industrieländern die höchsten Exportanteile ebenfalls in den europäischen Kleinstaaten, wobei die Niederlande und Belgien-Luxemburg mit Anteilswerten von 48 % bzw. 62 % obenaus schwingen. Demgegenüber bringen es die Export-Grossmächte USA und Japan nur gerade auf Exportquoten von 7 bzw. 10 %.
Die Gründe für diesen "relativen Sieg der Kleinen" sind vielschichtig. Die südostasiatischen Stadtstaaten spielen eigentliche Vermittlerrollen. So entfielen 1989 61 % aller Ausfuhren Hongkongs auf den Wiederexport eingeführter Waren; im Falle Singapurs waren es 37 %. Die hohen Exportquoten der übrigen asiatischen "Tiger" reflektieren zum Teil auch das relativ niedrige Bruttoinlandprodukt. Im übrigen erklärt sich die hohe aussenwirtschaftliche Abhängigkeit der kleineren Volkswirtschaften weitgehend durch den jeweils beschränkten Binnenmarkt, einen hohen Spezialisierungsgrad und teils fehlende eigene Rohstoffvorkommen. Das für Serienprodukte erforderliche Absatzvolumen kann von diesen Ländern nur auf den Weltmärkten realisiert werden, und die Alternative einer Konzentration auf hochspezialisierte Nischenprodukte sichert ihnen oft eine starke internationale Wettbewerbsposition. Gleichzeitig zwingt der Einfuhrbedarf für Rohstoffe und Energieträger zu einem Ausgleich auf der Exportseite.
In einer Synthese von absoluten Werten und relativen Kennziffern entpuppt sich
indessen die BR Deutschland als Exportnation par excellence. Bei einem
Weltmarktanteil von gut 11 % weist sie trotz des grossen Binnenmarktes eine
hohe Exportquote von knapp 29 % des BIP aus und rangiert mit Ausfuhren von
5'480 $ pro Kopf bereits an 7. Stelle. Im Zuge der EG-Integration und der
deutschen Wiedervereinigung dürfte Deutschland diese starke Stellung
längerfristig eher noch ausbauen.
Kai Mehnert
Hohe Arbeitskosten in der Schweiz
Die Schweiz war über viele Jahre hinweg das Land mit den im internationalen Vergleich höchsten Arbeitskosten. 1989 hat die Bundesrepublik die Schweiz auf den zweiten Platz verdrängt. In der jeweiligen Währung nahmen die Arbeitskosten der beiden Länder zwar in gleichem Ausmass zu, doch schwächte sich 1989 der Schweizerfranken gegenüber der D-Mark deutlich ab.
Die Bundesrepublik wies 1989 unter den Industrieländern mit durchschnittlich 31.07 Fr. je Stunde erstmals die höchsten Arbeitskosten im verarbeitenden Gewerbe auf und löste damit die Schweiz als bisher teuersten Produktionsstandort ab. Die bundesdeutschen Arbeitskosten stiegen gegenüber dem Vorjahr mit rund 4 % zwar etwa gleich schnell wie in der Schweiz, gleichzeitig schwächte sich jedoch der Franken gegenüber der D-Mark um etwa denselben Prozentsatz ab. Die Entwicklung der Arbeitskosten und der Wechselkurse in den vergangenen Jahren zeigt deutlich, dass Rangverschiebungen im internationalen Vergleich der Arbeitskosten nicht nur von der unterschiedlichen Lohnentwicklung, sondern auch vom Umfang der Wechselkursfluktuationen beeinflusst werden. Beispielsweise würden die USA, die 1989 bei einem durchschnittlichen Umrechnungskurs von 1.64 Sfr./$ den 9. Platz belegten, bei dem Ende Mai 1990 gültigen Kurs von 1.40 Sfr./$ auf den 13. Platz und damit an die Schwelle zu den Niedriglohnländern abrutschen.
Die Arbeitskosten je Stunde setzen sich zusammen aus dem Stundenlohn und aus den Lohnnebenkosten (Sozialversicherungsbeiträge, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Ferien usw.). Die Lohnnebenkosten machen beispielsweise in Italien etwa gleichviel aus wie der Stundenlohn, in Japan hingegen nur rund 30 %. Trotzdem ist das ehemalige Billiglohnland Japan beim Arbeitskostenvergleich bereits auf Platz vier vorgedrungen. Der japanische Arbeiter erhält nämlich umgerechnet einen durchschnittlichen Stundenlohn von 19.92 Fr. ausbezahlt und somit mit seinem Schweizer Kollegen international das höchste Entgelt.
Die Arbeitskosten sind zwar ein wichtiger Indikator der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit. Daneben spielen aber auch andere Faktoren wie etwa
Arbeitsproduktivität, Material- und Energiekosten, Realzinsen oder
Abgabenbelastung eine wichtige Rolle. Produktivitätsfortschritte können z.B.
den Wettbewerbsnachteil hoher Arbeitkosten mildern. So stiegen in
Grossbritannien zwischen 1980 und 1989 die Arbeitskosten real mit
durchschnittlich 5 % pro Jahr im internationalen Vergleich am stärksten;
gleichzeitig nahm aber dort die Arbeitsproduktivität mit 7,9 % deutlich
schneller zu als im
Durchschnitt der übrigen Länder, was zum Teil auf den stärkeren Abbau der Zahl
der Erwerbstätigen in der Industrie zurückzuführen ist. Die Schweiz hingegen
wies im Mittel derselben Zeitperiode mit 2,6 % nur eine unterdurchschnittliche
Produktivitätsdynamik auf, verzeichnete andrerseits mit durchschnittlich 1,4 %
pro Jahr auch einen relativ langsamen Anstieg der realen Arbeitskosten. Als
einziges Industrieland wiesen die USA in diesem Zeitraum sinkende reale
Arbeitskosten auf, während sich ihre Arbeitsproduktivität mit 3,7 % schneller
als im Mittel ihrer Konkurrenten verbesserte.
Elisabeth Messner
"Schweiz in Zahlen" 1990
Die Schweizerische Bankgesellschaft hat soeben die Ausgabe 1990 der Taschenstatistik "Die Schweiz in Zahlen" veröffentlicht. Diese handliche Publikation enthält mehr als 1'600 Zahlenangaben über die Schweiz, ihre Kantone und ihre zehn wichtigsten Handelspartnerländer.
Kantonale Volkseinkommen
Gemäss den Berechnungen der Volkswirtschaftlichen Abteilung der SBG erwirtschaftete 1989 der Kanton Zug mit 66'700 Fr. pro Einwohner das höchste Volkseinkommen aller Kantone. Das Volkseinkommen entspricht weitgehend dem Bruttosozialprodukt abzüglich Abschreibungen und ist nicht mit dem durchschnittlichen Arbeitseinkommen der Erwerbstätigen zur verwechseln. Weit über dem gesamtschweizerischen Mittel von 38'300 Fr. lagen auch die Pro-Kopf-Einkommen in den Kantonen Basel-Stadt (53'300 Fr.), Genf (49'500 Fr.) und Zürich (48'900 Fr.). Die niedrigsten Pro-Kopf-Werte erzielten die Kantone Obwalden (27'800 Fr.), Uri (29'400 Fr.) und Jura (29'500 Fr.).
Unterschiedliche Bedeutung der Sprachregionen
Die Volkseinkommen der sechs Westschweizer Kantone Waadt, Genf, Wallis, Freiburg, Neuenburg und Jura machten im Jahr 1989 23,9 % des Schweizer Gesamttotals aus, der Anteil des Kantons Tessin betrug 3,5 %. Gemessen an der Wohnbevölkerung waren die Anteile der französischen und italienischen Sprachregion 1989 leicht höher, nämlich 24,3 % für die Westschweiz und 4,3 % für das Tessin. Noch grösser sind die Anteile an der schweizerischen Bodenfläche mit 29,1 % in der Westschweiz und 6,8 % im Tessin. Wegen der Grenznähe waren auch 1989 die Anteile der ausländischen Arbeitskräfte an der jeweiligen Gesamtbeschäftigung mit 49,1 % im Tessin und 29,9 % in der welschen Schweiz deutlich höher als in der deutschen Schweiz (19,9 %). Auch bezüglich der relativen Anteile an Wohnbautätigkeit und Anzahl Aktiengesellschaften lagen das Tessin und die Westschweiz im Jahre 1989 über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt.
Kantonaler Föderalismus bei Steuerbelastung und -progression
Im Vergleich der Kantonshauptorte war 1989 die Steuerbelastung in der Stadt Zug in allen Einkommensstufen am niedrigsten. Nur bei den Brutto-Jahreseinkommen von 30'000 Fr. lag die Steuerbelastung mit 2,3 % in der Stadt Genf noch tiefer. Im Unterschied zu Zug stieg die Belastung in der Stadt Genf mit zunehmendem Einkommen überdurchschnittlich stark an und erreichte für Einkommen von 100'000 Fr. den dritthöchsten (19,6 %) und für Einkommen von 200'000 Fr. mit 29,5 % den höchsten Wert aller Kantonshauptorte. Demgegenüber verlief die Steuer-Progression in den Urkantonen Uri, Schwyz und Unterwalden ausserordentlich flach, und Stans, Schwyz und Sarnen gehörten zu den fünf Kantonshauptorten mit der niedrigsten Steuerbelastung. Die höchste Steuerbelastung traf alle Einkommensklassen in Delémont im Kanton Jura.
Neubautätigkeit und Leerwohnungsquote
Umgerechnet auf die Bevölkerung wurden 1989 in den Kantonen Wallis (11,9 Wohnungen pro 1'000 Einwohner), Graubünden (10), Nidwalden (9,4) und Tessin (9) am meisten Wohnungen gebaut. Im Tessin und im Wallis erreichte aber auch die Leerwohnungsquote mit 1,38 bzw. 0,82 % gesamtschweizerische Höchstwerte. Sowohl bei den Wohnbauquoten wie auch beim Leerwohnungsbestand dürfte in diesen Kantonen der Zweitwohnungsbau eine wichtige Rolle spielen. In Nidwalden hingegen standen 1989 nur 0,19 % der Wohnungen leer, und in Graubünden lag die Leerwohnungsquote mit 0,48 % leicht über dem schweizerischen Mittel von 0,43 %. Am wenigsten Wohnungen, nämlich 1,5 Einheiten pro 1'000 Einwohner, wurden 1989 in der Stadt Basel gebaut, obwohl die Leerwohnungsquote von 0,3 % deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt lag. Nur etwas über 4 Wohnungen pro 1'000 Einwohner wurden 1989 in den Kantonen Appenzell-Ausserrhoden, Genf, Neuenburg und Zürich erstellt. Gleichzeitig erreichte die Leerwohnungsquote in Zürich mit 0,09 % das schweizerische Minimum und in Ausserrhoden mit 0,2 % noch die Hälfte der Mittelwertes. Genf und Neuenburg hingegen wiesen durschnittliche Leerwohnungsquoten aus.
Niedrigerer Aktivenüberschuss in der Auslandvermögensbilanz
Für Ende 1989 schätzt die Volkswirtschaftliche Abteilung der Schweizerischen
Bankgesellschaft das Nettovermögen der Schweiz im Ausland auf 305 Mrd Fr. Das
sind 10 Mrd Fr. weniger als im Vorjahr. Während die Guthaben im Ausland vor
allem dank erhöhter Treuhand- und Wertschriftenpositionen um 47 Mrd Fr.
gestiegen sind, nahmen die Verbindlichkeiten hauptsächlich wegen der um 33 Mrd
Fr. gestiegenen Wertpapierbestände in ausländischem Besitz um fast 58 Mrd Fr.
zu.
Rudolf Enz
Die "Schweiz in Zahlen" ist in neun Sprachen erhältlich. Bezugsquelle siehe Seite 27.
Treten an Ort
@5 Obwohl die fundamentalen Bedingungen ausgezeichnet sind, zeichnet sich der
Börsentrend seit Anfang 1990 durch einen mehrheitlich seitlichen bis
rückläufigen Verlauf aus. Die im europäischen Mittel relativ hohe
Inflationsrate sowie die stark gestiegenen Zinsen drückten -- abgesehen von den
deutschen Börsen -- im ersten Jahresdrittel auf die Aktienmärkte. Eine markante
Erstarkung des Frankens am Devisenmarkt, verbunden mit einem leichten Rückgang
der Geldmarktzinssätze, verhalf der
Schweizer Börse
Anfang Mai zu neuem
Leben. Erstmals seit längerer Zeit waren wieder ausländische Investoren am
Markt, welche die Gunst der Stunde nutzten und vom tiefen Kursniveau
profitierten. Dies hat zu beachtlichen Avancen des Swiss Performance Index
geführt, welcher aber gegenüber dem Stand zu Jahresbeginn immer noch in der
Minuszone liegt. Allerdings dürfte der Inflations- und Zinsen-Peak erst Mitte
Jahr erreicht werden. Bis dahin sollte die Börse -- bei einem mehrheitlich
optimistischen Grundtenor -- seitwärts tendieren. Die Schweizer Aktien sind mit
einem für den Gesamtmarkt 1990 geschätzten Kurs/Gewinn-Verhältnis von 10,7
weiterhin günstig bewertet. Die Chancen der Schweizer Aktienbörse, bei einer
sich definitiv abzeichnenden Zinsabflachung nach oben auszubrechen, sind reell,
und mit dem Aufbau von Positionen sollte nicht zu lange gewartet werden. Im
Vordergrund stehen Blue Chips aus dem Banken-, Industrie-, Chemie- und
Konsumsektor sowie einzelne Spezialwerte.
Die
amerikanische Börse
dürfte nach der jüngsten Hausse kurzfristig eher
zur Schwäche neigen, sollte sich aber im Verlauf des zweiten Semesters wieder
auffangen. Für
Japan
erwarten wir über die nächsten zwölf Monate eine
mittelmässige Performance, welche aber angesichts des Erholungspotentials des
Yen aus Sicht des Schweizer Anlegers attraktiv sein sollte. Sich verdichtende
Gerüchte über einen möglichen EWS-Beitritt
Grossbritanniens
könnte sowohl
das Pfund als auch die Börse stimulieren. Diesen positiven Erwartungen stehen
aber doch grössere Risiken -- politische Unsicherheiten und hohe
Kapitalmarktzinsen -- gegenüber. In
Deutschland
sind nach den erfolgten
Avancen die kurzfristigen Erwartungen nicht mehr so ausgeprägt positiv wie die
längerfristigen. Das Zinsniveau wird auf hohem Stand verharren. Aufgrund der
politischen Entwicklungen sind ferner viele Anleger unsicher und verhalten sich
abwartend. Die deutsche Aktienbörse, die sich recht volatil zeigt, verbucht
gegenwärtig verglichen mit den durch Euphorie geprägten Monaten Dezember und
Januar geringe Umsätze. Für die nächsten ein bis zwei Monate erwarten wir
vorwiegend eine Seitwärtsbewegung.
WLP
Entspannung bei erhöhter Volatilität
Nach den ausgeprägten Renditesteigerungen in den Vormonaten hat sich im Mai das Zinsgefüge an den meisten wichtigen Märkten etwas zurückgebildet. Mit Ausnahme der Schweiz und der USA, wo auch die Geldmarktsätze unter Druck gerieten, beschränkte sich die Entspannung vorwiegend auf den langfristigen Sektor, der zuvor auch den stärkeren Renditeschub zu verzeichnen hatte. Die Entwicklung ging überdies nicht kontinuierlich vonstatten, sondern war von einer merklich gesteigerten Volatilität gekennzeichnet. Die darin zum Ausdruck kommende Unsicherheit der Marktteilnehmer lässt mithin noch nicht auf eine definitive Trendwende schliessen. Ausgelöst wurde die Stimmungsverbesserung durch günstigere Konjunktur- und v.a. Teuerungsdaten in den USA; im Falle Japans und der Schweiz erfuhr sie durch die merkliche Wiedererstarkung des Yen bzw. des Frankens am Devisenmarkt eine kräftige Unterstützung.
Zinsoptimismus in den USA
Die nach der beunruhigenden Inflationsbeschleunigung im 1. Quartal wieder moderateren Teuerungsdaten der USA per April, die sowohl auf Produzenten- wie auf Konsumentenstufe das Auslaufen saisonaler Sondereffekte anzeigten, weckten unter den Marktteilnehmern neue Hoffnungen auf tendenziell nachgebende Zinsen und eine Lockerung der Geldpolitik. Letzteres scheint zwar trotz weiterer Pressionen seitens der Administration noch nicht spruchreif zu sein; auch hängt mit der verschärften Budgetproblematik weiterhin ein gewichtiger Unsicherheitsfaktor im Raum. Dennoch gaben Mitte Mai die günstigen Auktionsergebnisse der Treasury-Refinanzierung in allen Laufzeit-Kategorien, trotz einer grösseren Zurückhaltung japanischer Investoren, den Auftakt zu substantiellen Renditeermässigungen um rund 0,4 %-Punkte, womit Staatstitel mit 30jähriger Laufzeit wieder deutlich unter 9 % rentierten.
Gesuchte Pfund-Anleihen
Weitgehend parallel zur Entwicklung auf den US-Märkten verlief der Zinstrend in Europa, indem sowohl die Wende zu Monatsbeginn als auch zwischenzeitliche Gegenreaktionen praktisch zeitgleich einsetzten. Vergleichsweise heftiger war jedoch am deutschen Rentenmarkt die Volatilität, wobei die zwischenparteilichen Divergenzen um die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion das Renditeniveau gegen Monatsende sogar wieder auf den Anfangswert hinaufschraubten. Stark in der Gunst der Investoren lagen dagegen Pfund-Anleihen. Trotz der im April weiter auf 9,4 % gekletterten britischen Inflationsrate sank die Rendite auf langfristigen Staatstiteln vorübergehend um 1 %-Punkt auf 11,2 %. Beflügelt wurde der Markt u.a. durch den Gesinnungswandel von Premierministerin Thatcher über einen möglichen baldigen Beitritt Grossbritanniens zum Europäischen Währungssystem.
Yen und japanischer Bondmarkt im Gleichschritt
Der japanische Anleihenmarkt, der sich bereits im April gegenüber der damals noch anhaltenden globalen Zinshausse bemerkenswert resistent gezeigt hatte, profitierte im Mai von den Entspannung an den Auslandmärkten sowie von den Höherbewertung des Yen am Devisenmarkt. Per Saldo gab das Renditeniveau um rund 0,4 %-Punkte auf gut 7 % für Staatstitel nach. Auffallend war der starke Zusammenhang von Rendite und Wechselkurs, die fast alle täglichen Fluktuationen parallel vollzogen. Die weitgehend stabilen Geldmarktsätze reflektierten dagegen eine weiterhin -- und auch in naher Zukunft zu erwartende -- zurückhaltende Geldpolitik der Bank of Japan.
Aufhellung am Frankenmarkt
Auch die deutliche Entspannung am schweizerischen Geld- und Kapitalmarkt widerspiegelte zu einem grossen Teil den wiedererstarkten Frankenkurs gegenüber Dollar und D-Mark. Nachdem der Schweizer Markt seit etwa einem Jahr im Schatten des internationalen Geschehens gestanden hatte, scheint nun der zu erwartende Stabilitätserfolg durch die äusserst restriktive Geldpolitk der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von den Anlegern wieder stärker gewichtet zu werden. Die Eurofrankensätze gaben im Mai über das gesamte Fälligkeitsspektrum von 1 bis 12 Monaten um 1/2 %-Punkt nach, womit die in diesem Bereich flache Zinsertragskurve erhalten blieb und der Zinssatz für Einjahres-Anlagen erstmals seit Ende 1989 wieder unter jenen für entsprechende Dollar- und DM-Depots abglitt. Stark invers blieb die Yield-Curve jedoch unter Einbezug des Obligationenmarktes. Die Durchschnittsrendite der Bundesanleihen bildete sich innert Monatsfrist um 0,3 %-Punkte auf 6,41 %, der 10-Jahres-Swapsatz sogar um 0,4 %-Punkte auf 7,55 % zurück.
Aus dieser Entwicklung bereits eine eigentliche Zinswende nach unten
abzuleiten, wäre jedoch zumindest verfrüht. Die erhöhte Volatilität auf den
Auslandmärkten lässt erneute negative Einflüsse von dort her nicht
ausschliessen. Zudem bleibt die Reaktion des Marktes auf die Bekanntgabe der
helvetischen Mai-Jahresteuerung abzuwarten, die mietpreisbedingt einen erneuten
Sprung über die 5 %-Marke vollziehen wird. Bis sich eine klare
Inflationsberuhigung abzeichnet, dürfte auch die SNB noch keinen Anlass für
eine geldpolitische Lockerung sehen.
FYC
Weitgehend ruhige Entwicklung
An den Edelmetallmärkten hielt die flaue Stimmung des Vormonats auch im Mai weitgehend an. Erst kurz vor Monatsende kam es zu grösseren Preisausschlägen nach oben und unten. Nachdem Spekulationen über sowjetische Goldverkäufe die Notierungen noch am letzten Tag im April deutlich unter die 370 $/Unze-Grenze gedrückt hatten, erholte sich das gelbe Metall in den ersten Mai-Tagen dank einer lebhaften physischen Nachfrage sowie als Folge der von der OPEC beschlossenen Drosselung der Erdölförderung rasch wieder. Preisstützend wirkte sich auch die Nachricht aus, dass vorderhand auf die Veräusserung der Goldquote säumiger Schuldnerländer des Internationalen Währungsfonds verzichtet werde. Durch erneute Meldungen über sowjetische Goldabgaben wurde jedoch trotz Kurseinbussen des Dollars und Zinssenkungssignalen ein nachhaltiger Anstieg der Notierungen verhindert. Erst gegen Monatsende, als Platin in Reaktion auf Zwischenfälle in Südafrika Aufwind erhielt, zog der Goldpreis kurzfristig stärker an. Umgehend kam es jedoch wieder, angeblich wie in den Vormonaten als Folge umfangreicher Goldabgaben eines mittelöstlichen Landes, zu einem massiven Preissturz, von dem sich der Markt nur teilweise erholte.
Am 31. Mai notierte Gold bei ??? $/Unze, Silber bei ?.?? $/Unze und Platin bei
???.?? $/Unze.
BET
Schweizerfranken (fast) wie in alten Zeiten
Im Mai sorgten der
Schweizerfranken
(wiedergefundenes Vertrauen der
Märkte in die Geldpolitik der SNB, Zinsvorteil und japanische Frankennachfrage
zur Rückzahlung von Anleihen), der
Yen
(fundamentaler
Aufwertungs-Nachholbedarf) sowie das
Pfund Sterling
(Spekulationen über
EWS-Vollmitgliedschaft) für positive Schlagzeilen. Im EWS war es der Höhenflug
der von zinsinduzierten Kapitalzuflüssen profitierenden
italienischen
Lira
, der Aufsehen erregte und durch die Senkung des Diskontsatzes und
Notenbankinterventionen nur mühsam gebremst werden konnte. In relativ schwacher
Verfassung präsentierten sich hingegen die
D-Mark
, der
französiche
Franc
und der
US-Dollar
. Beachtung fand auch die Absichtserklärung des
belgischen Finanzministers, die Landeswährung an die D-Mark zu koppeln.
Dollar zurückgestuft
Kursverlauf $/Fr.: 1.4620 (2. Mai), 1.3865 (11.), 1.4215 (28.). Die Zeichen einer sich belebenden Wirtschaftsentwicklung in den USA und die damit verbundenen Befürchtungen zunehmenden Inflationsdrucks wichen im Mai dem Eindruck einer sich abschwächenden Konjunktur, begleitet von nachlassendem Preisauftrieb. Insbesondere die schwachen US-Beschäftigungszahlen und der überraschende Rückgang des Produzentenpreisindexes per April drängten die Spekulationen auf eine restriktivere geldpolitische Gangart des Fed in den Hintergrund. Entsprechend dieser Neubeurteilung der Konjunktur- und Zinsaussichten fanden die Refinanzierungsauktionen des US-Schatzamtes eine unerwartet gute Aufnahme im Markt, während der Dollar unter Druck geriet. In der zweiten Monatshälfte konnte die US-Valuta trotz des im März auf 8,4 Mrd $ gestiegenen Handelsbilanzdefizits wieder Terrain aufholen, ausser gegenüber dem Yen. Sie profitierte dabei von neuen Allzeithochs an der Wall Street, vom Festhalten des Fed am bisherigen geldpolitischen Kurs sowie von der Ungewissheit über die wirtschaftliche und politische Entwicklung im Ostblock.
Vernachlässigte D-Mark
Kursverlauf $/DM: 1.6905 (2. Mai), 1.6260 (11.), 1.6785 (28.). DM/Fr.: 86.63 (2. Mai), 84.60 (28.). Anhaltende Unsicherheit hinsichtlich der finanziellen Kosten und der wirtschaftlichen Probleme auf dem Weg zur deutschen Einheit trübten nach anfänglichem Aufwärtstrend das Stimmungsbild bei der D-Mark. Auch die Wahlniederlage der CDU in zwei Bundesländern und die Vorbehalte der SPD gegenüber dem ausgehandelten Staatsvertrag mit der DDR schreckten die Anleger ab.
Comeback des Yen
Kursverlauf $/Yen: 158.46 (2. Mai), 158.95 (4.), 149.45 (28.). Nachdem der Yen
seit dem Frühjahr 1989 unter starkem Druck gelegen hatte, setzte er im Mai zu
einer auf Grund fundamentaler Faktoren längst überfälligen Erstarkung
gegenüber dem Dollar und den europäischen Währungen an. Dabei schaukelten sich
Nippons Währung und die Tokioter Aktienbörse wechselseitig in die Höhe.
THH
Inflationsspitze im Mai erreicht
Der
Landesindex der Konsumentenpreise
stieg im April 1990 um 0,2 % auf
120,2 Punkte (Dezember 1982 = 100). Zurückzuführen ist dies auf nur mässig
höhere Preise in den Warengruppen Nahrungsmittel (+0,8 %) und Verkehr (+0,3 %).
Da sich der Heizölpreis im April nochmals leicht reduzierte, nahm hingegen der
Index für die Gruppe Heizung und Beleuchtung um 0,6 % ab. Die Jahresteuerung
ermässigte sich auf 4,6 %, nachdem sie im März noch 5,0 % betragen hatte. Im
Mai wird die Teuerungsrate wegen der halbjährlichen Erhebung der Wohnungsmieten
auf etwa 5,3 % steigen. Damit dürfte die Spitze der Inflation allerdings
erreicht sein, denn der starke Schweizerfranken wird in den kommenden Monaten
zu einer Entlastung der Importteurung beitragen.
Der
Grosshandelspreisindex
erhöhte sich im April 1990 ebenfalls um 0,2 %
auf 183,5 Punkte (1963 = 100). Der Anstieg des Totalindexes ist auf höhere
Preise innerhalb der Gruppenziffern der Konsumgüter (+0,3 %) sowie der
Rohstoffe und Halbfabrikate (+0,2 %) zurückzuführen. Die Indexziffer der
Energieträger und Hilfsstoffe wies dagegen eine leicht rückläufige
Preisentwicklung auf (-0,1 %). Innert Jahresfrist stiegen die Preise auf der
Grosshandelsstufe um 1,5 %.
MNE