Schweizer Wirtschaft: Tiefpunkt erreicht?
In der schweizerischen Industrie hat sich der seit einem Jahr kontinuierlich verschlechternde Geschäftsgang im 2. Quartal 1991 auf tiefem Niveau stabilisiert. Bei den an unserer vierteljährlichen "Konjunkturpanorama"-Umfrage beteiligten rund 200 Firmen lagen die Saldi der Zunahme- und Abnahme-Meldungen von Auftragseingang, Produktion und Umsatz zwar noch immer deutlich unter dem Vorjahresniveau. Für das 3. Quartal zeigt der erwartete Trend bezüglich Auftragseingang aber bereits wieder nach oben. Vor allem aus dem Ausland wird mit vermehrten Nachfrageimpulsen gerechnet. Im Bausektor hingegen dürften sich die rezessiven Tendenzen noch verstärken. Deutlich optimistischer werden die Aussichten im Detailhandel und im Tourismus beurteilt.
Das "Konjunktur-Panorama" erscheint vierteljährlich
Redaktion: Beat Arnet
Industrie:
Der Tiefpunkt der Industriekonjunktur scheint im Sommer 1991
erreicht zu sein. Die für das 3. Quartal 1991 erwarteten Saldi (Differenz der
Zunahme- und Abnahme-Meldungen) von Arbeitsvorrat, Produktion und Umsatz sind
zwar immer noch negativ, aber weniger stark als im 2. Quartal. Eine Trendwende
zeichnet sich vor allem beim Auftragseingang aus dem Ausland ab.
Dementsprechend wird auch mit höheren Exportumsätzen als im Vorjahresquartal
gerechnet.
Baugewerbe:
Im 2. Quartal 1991 lag das Bauvolumen insbesondere im Hochbau
unter dem Vorjahresniveau. Für das 3. Quartal wird der Auftragseingang und die
Bautätigkeit noch etwas schlechter beurteilt als drei Monate zuvor. Bezüglich
der Ertragslage, welche sich bereits im 1. Halbjahr 1991 gegenüber dem gleichen
Vorjahreszeitraum bei zwei Dritteln der befragten Firmen verschlechtert hatte,
dürfte sich der negative Trend noch verstärken.
Detailhandel:
Bei den an unserer Umfrage beteiligten Grossverteilern
stiegen die wertmässigen Detailhandelsumsätze im 2. Quartal 1991 im Vergleich
zur Vorjahresperiode um durchschnittlich 3 bis 5 %. Für den Zeitraum Juli bis
September 1991 wird eine Umsatzsteigerung in derselben Grössenordnung
erwartet.
Tourismus:
In der Schweizer Hotellerie wird die Entwicklung im
Sommerhalbjahr 1991 (Mai bis Oktober) leicht optimistischer beurteilt als in
der März-Umfrage. Von den 51 befragten Kurdirektoren rechnet rund zwei Drittel
mit im Vorjahresvergleich steigenden Logiernächtezahlen. Eine
überdurchschnittliche Zunahme wird seitens der Feriengäste aus der Schweiz, aus
Deutschland und aus Italien erwartet.
Industrie
Der sich seit rund einem Jahr kontinuierlich verschlechternde Geschäftsgang der schweizerischen Industrie hat sich im 2. Quartal 1991 auf tiefem Niveau stabilisiert. Bei den von uns im Juni befragten rund 200 Firmen lagen die Saldi der Zunahme- und Abnahme-Meldungen bei den wichtigsten Indikatoren wie Auftragseingang, Umsatz und Produktion noch immer deutlich unter dem Vorjahresniveau. Die Beurteilung der laufenden Entwicklung hat sich damit im Vergleich zur März-Umfrage kaum verändert und war nur leicht schlechter, als die Befragten vor drei Monaten erwartet hatten. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung ging gegenüber dem Vorquartal um weitere 1,1 % zurück und lag mit 83,9 % 5,5 Prozentpunkte unter dem Rekordwert vor Jahresfrist. Der seit Anfang 1991 beobachtbare Abbau der Personalbestände beschleunigte sich im Verlauf des 2. Quartals; damit war die Beschäftigung deutlich geringer als vor zwölf Monaten.
Tiefpunkt der Industriekonjunktur erreicht?
Für das 3. Quartal 1991 gehen die Umfrageteilnehmer weiterhin davon aus, dass die Geschäftsentwicklung schlechter als im entsprechenden Vorjahresquartal ausfallen wird. Trotzdem werden die Aussichten hinsichtlich Bestellungseingang, Arbeitsvorrat und Umsatzentwicklung günstiger eingestuft als die tatsächliche Entwicklung im 2. Vierteljahr. Insbesondere im Exportgeschäft wird eine Wende zum Besseren erwartet: Im Urteil der Befragten werden im 3. Quartal 1991 sowohl die Auftragseingänge aus dem Ausland als auch der Exportumsatz über dem Stand vor Jahresfrist liegen. Während der Rückgang der Produktion unvermindert anhalten dürfte, ist bei der Beschäftigung sogar mit einem leicht beschleunigten Abbau von Arbeitsplätzen zu rechnen. Der Preisauftrieb dürfte sich etwas verlangsamen, will doch nur jede zehnte Firma im Zeitraum Juli bis September 1991 die Verkaufspreise erhöhen.
Auch für das 4. Quartal 1991 wird eine etwas günstigere Entwicklung erwartet. Eine gegenüber dem 3. Quartal zusätzliche Verbesserung des Geschäftsverlaufs prognostizieren 27 % der Unternehmen, während 64 % der Befragten davon ausgehen, dass sich der für das 3. Quartal abzeichnende Geschäftsgang unverändert auch in den letzten drei Monaten 1991 fortsetzen wird.
Uneinheitliches Branchenbild
Die Entwicklung der einzelnen Branchen verlief nach wie vor sehr unterschiedlich. Gemessen an den Indikatoren Auftragseingang, Produktion und Umsatz war der Geschäftsgang in der Nahrungsmittel- und in der Papierindustrie sowie im Graphischen Gewerbe klar besser als im Durchschnitt aller Branchen. Deutlich unterdurchschnittlich verlief die Entwicklung hingegen in der Maschinen- und in der Metallindustrie.
Im 3. Quartal 1991 dürfte sich das Branchenbild nur geringfügig verändern. Einen im Vorjahresvergleich besseren und somit klar über dem Durchschnitt aller Branchen liegenden Geschäftsgang erwarten die Firmen der Nahrungsmittel- und der Papierindustrie, des Graphischen Gewerbes sowie die Mehrheit der Chemiebetriebe. Deutlich schlechter als im Mittel aller Branchen sind die Erwartungen in der Maschinen- und der Metallindustrie.
Trendwende beim Auftragseingang aus dem Ausland
Die in der März-Umfrage für das 2. Quartal 1991 erwartete Verlangsamung des rückläufigen Trends bei den Gesamtauftragseingängen ist nicht eingetroffen. Der negative Saldo der Zunahme- und Abnahmemeldungen gegenüber der Vorjahresperiode verharrte mit -27 Prozentpunkten auf dem Tiefststand des 1. Vierteljahres 1991. Ausschlaggebend war die unerwartet schlechte Entwicklung der inländischen Auftragseingänge, die mit einem Saldo von -32 Prozentpunkten 14 Prozentpunkte unter den Erwartungen lag. Die Bestellungseingänge aus dem Ausland hingegen entwickelten sich günstiger (Saldo: -10 %), als die Befragten vor drei Monaten vorausgesagt hatten (Saldo: -18 %). Für das 3. Quartal gehen die Unternehmen davon aus, dass sich die Entwicklung der Auftragseingänge markant verbessern wird. Während die inländischen Bestellungseingänge im Urteil der Befragten trotzdem noch unter dem Stand vor Jahresfrist liegen dürften (Saldo: -8 %), werden von den Auslandordern positive Impulse erwartet (Saldo: +13 %).
Produktion weiterhin rückläufig
Die Produktion, die in der schweizerischen Industrie bereits im 1. Quartal 1991 um 2 % unter dem entsprechenden Vorjahreswert gelegen hatte, ist im 2. Quartal per saldo bei 15 % der befragten Firmen erneut gesunken. Auch für das 3. Vierteljahr gehen die Unternehmen von einer rückläufigen Produktion aus.
Die Arbeitsvorräte waren Ende Juni bei 20 % der Firmen höher, bei 42 % gleich und bei 38 % niedriger als Ende März 1991. Innert Jahresfrist nahm der Arbeitsvorrat per saldo sogar bei 37 % der Unternehmen ab. Im 3. Quartal dürfte sich der negative Trend etwas abschwächen, geht doch die Mehrheit der Umfrageteilnehmer davon aus, dass per Ende September die Arbeitsvorräte weitgehend dem Stand vor drei Monaten entsprechen werden. Im Vorjahresvergleich hingegen erwarten per saldo 22 % der Unternehmen weiterhin kleinere Auftragspolster.
Beschleunigter Personalabbau
Der durchschnittliche Auslastungsgrad der technischen Produktionskapazitäten sank im 2. Quartal 1991 auf 83,9 %. Gegenüber dem 1. Quartal betrug der Rückgang 1,1 Prozentpunkte, im Vorjahresvergleich sogar 5,5 Prozentpunkte. Für das 3. Vierteljahr 1991 gehen die Unternehmen hingegen von einem leicht steigenden Auslastungsgrad aus.
Im Verlauf des 2. Quartals 1991 war in allen Branchen -- mit Ausnahme der Papierindustrie -- ein weiterer Personalabbau festzustellen. 36 % der Unternehmen meldeten eine tiefere und nur 7 % eine höhere Beschäftigung als in den ersten drei Monaten 1991. Im Vorjahresvergleich sind die Personalbestände sogar bei per saldo 25 % der Firmen zurückgegangen. Der negative Beschäftigungstrend dürfte anhalten, gehen doch per saldo 19 % der Unternehmen im Verlauf der Monate Juli bis September von sinkenden Belegschaften aus.
Umsatzimpuls vom Ausland erwartet
Die Umsätze lagen im 2. Quartal 1991 nach wie vor unter den entsprechenden Vorjahreswerten (Saldo: -9 %). Die im Vergleich zur März-Umfrage (Saldo: -15 %) resultierende Verbesserung ist vor allem auf die Entwicklung der Exportumsätze zurückzuführen, die im Vorjahresvergleich zwar noch immer rückläufig war, aber nicht in dem Ausmass, wie dies die Befragten vor drei Monaten erwartet hatten. Für das 3. Quartal rechnen per saldo 7 % der Unternehmen mit höheren Exportwerten als vor Jahresfrist. Aufgrund der Absatzentwicklung im Inland werden aber im Vorjahresvergleich stagnierende Gesamtumsätze erwartet.
Nach dem kräftigen Anstieg der Verkaufspreise im 1. Quartal 1991 haben in den Monaten April bis Juni per saldo nur noch 4 % der Unternehmen ihre Preise erhöht. Im Vorjahresvergleich hingegen meldeten 62 % der Umfrageteilnehmer höhere und nur 15 % tiefere Preise. Im Verlauf des 3. Vierteljahres dürfte sich der Preisanstieg weiter verlangsamen; per saldo wollen nur 6 % der Befragten ihre Verkaufspreise erhöhen. Trotzdem werden diese per saldo bei 44 % der Firmen über dem Vorjahresstand liegen.
Baugewerbe
Im
zweiten Quartal 1991
berichteten gut zwei Drittel der von der SBG
befragten Hochbau- und jedes zweite Tiefbauunternehmen von im
Vorjahresvergleich rückläufigen Auftragseingängen, bei jeweils 10 % nahmen die
Aufträge zu. Der Negativsaldo hat sich damit im Hochbau innerhalb eines
Quartals um 3 %-Punkte leicht verbessert, beim Tiefbau dagegen um 13 %-Punkte
verschlechtert. Das Bauvolumen lag laut unserer Umfrage im 2. Quartal bei per
saldo der Hälfte der Hochbauunternehmen unter dem Vorjahresniveau, im Tiefbau
erreichte der Saldo minus 16 %-Punkte. Nur zwei von 39 Baubetrieben hatten im
Juni 1991 einen höheren Personalbestand als vor Jahresfrist, 59 % hatten ihn
vermindert. Die Preise für Hochbauleistungen sanken bei 56 % der antwortenden
Baufirmen zwischen März und Juni 1991 weiter, 44 % konnten sie halten. Im
gleichen Zeitraum gingen die Tiefbaupreise bei per saldo 34 % der Befragten
zurück.
Im
dritten Quartal 1991
dürfte sich die Lage im Baugewerbe nochmals leicht
verschlechtern. Das Bauvolumen gegenüber dem Vorjahresquartal wird nach Ansicht
der von der SBG befragten Bauunternehmen im Hochbau bei per saldo 58 %, im
Tiefbau bei 13 % der Antwortenden zurückgehen. Der Auftragseingang für
Hochbauten dürfte im dritten Quartal sogar deutlicher unter dem Vorjahresniveau
liegen als im zweiten Quartal. Der Personalbestand dürfte per Ende September
1991 weiterhin das Vorjahresniveau deutlich unterschreiten, und die Preise
sowohl für Hoch- wie für Tiefbauleistungen werden sich im Verlauf des 3.
Quartals 1991 bei per saldo noch einem Drittel der Befragten zurückbilden.
Die
Ertragslage
hatte sich im 1. Halbjahr 1991 bei zwei Dritteln der
befragten Baufirmen gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum verschlechtert und
blieb bei knapp einem Drittel gleich wie im Vorjahr. Für das 2. Halbjahr 1991
dürfte sich der negative Trend verstärken, rechnen doch per saldo 67 % der
Bauunternehmen mit einer weiteren Verschlechterung ihrer finanziellen Lage.
Als
Ursachen
für die gegenwärtige Baurezession nennen alle befragten
Baufirmen die hohen Zinssätze. Zudem erwähnen je ein Drittel der Bauunternehmer
den Bundesbeschluss gegen die Bodenspekulation und jenen gegen Missbräuche im
Mietwesen und 13 % die hohen Landpreise.
Rudolf Enz
Detailhandel
Gemäss unserer vierteljährlicher Umfrage stiegen die Gesamtdetailhandelsumsätze im 2. Quartal gegenüber der Vorjahresperiode um durchschnittlich 3-5 %. Dabei erzielten die befragten Grossverteiler in der Sparte Nahrungs- und Genussmittel bessere Geschäftsergebnisse als im Handel mit Bekleidungs- und Textilwaren sowie mit den übrigen Nonfood-Artikeln. Im 1. Halbjahr 1991 sahen die befragten Grossverteiler ihre Umsatzerwartungen im Gesamtdetailhandel im grossen und ganzen erfüllt, im Nahrungsmittelbereich wurden sie sogar mehrheitlich übertroffen.
Die Einkaufspreise lagen zwischen April und Juni tendenziell höher als in den ersten drei Monaten 1991. Sie stiegen allerdings haupsächlich in den Bereichen Nahrungsmittel, Textilien und Bekleidung, während der Einkauf von Haushaltsartikeln und im übrigen Nonfood-Sektor für die Mehrheit der Befragten nicht teurer wurde. Ein Teil der höheren Kosten konnte auf die Verkaufspreise überwälzt werden, die sich gemäss Umfrage im 2. Quartal innert Jahresfrist um durchschnittlich 4 % erhöhten.
Für das 3. Quartal 1991 rechnen die befragten Grossverteiler mit insgesamt um
rund 4 % höheren Umsätzen als in der Vorjahresperiode. Sie erwarten einheitlich
einen besseren Geschäftsverlauf in allen Detailhandelssparten mit Ausnahme des
übrigen Nonfood-Bereiches, in dem vereinzelt eine Stagnation befürchtet wird.
Fürs ganze Jahr 1991 vermitteln die Umfrageergebnisse ein ähnliches Bild. Die
Einkaufspreise dürften sich zwischen Juli und September im Durchschnitt des
Gesamtdetailhandels für gut die Hälfte der Befragten auf dem Vorquartalsniveau
stabilisieren, für den Rest jedoch ansteigen. Dabei werden höhere
Einkaufspreise hauptsächlich in den Sparten Nahrungsmittel, Haushaltsartikel
und übriger Nonfood erwartet. Auf der Verkaufsstufe dürften überwiegend die
Nahrungs- und Genussmittel teurer werden. Im Durchschnitt 1991 werden die
Verkaufspreise im Gesamtdetailhandel um 3-4 % steigen.
Elisabeth Messner
Tourismus
Die Entwicklung in der Schweizer Hotellerie im Sommerhalbjahr 1991 (Mai bis
Oktober) wird gemäss unseren Umfrage-Ergebnissen vom Juni leicht optimistischer
beurteilt als in der März-Umfrage. Von den 51 befragten Kurdirektoren rechnet
rund zwei Drittel mit einer gegenüber dem Vorjahr steigenden und etwa ein
Viertel mit einer gleichbleibenden Anzahl Logiernächte. Die prognostizierten
Zuwachsraten liegen mehrheitlich im Bereich von 2-3 %, teilweise auch darüber.
Für die Parahotellerie halten sich die Anzahl der "Zunahme"- mit den
"Unverändert"-Meldungen etwa die Waage. Zu den positiven Erwartungen tragen die
Schweizer in stärkerem Ausmass bei als die ausländischen Feriengäste. Per saldo
rechnet knapp zwei Drittel der Kurdirektoren mit einer höheren Anzahl
inländischer und ein Drittel mit einer Zunahme der ausländischen Nächtigungen.
Dabei wird ein verstärkter Zustrom von Gästen vor allem aus Deutschland und
Italien erwartet, während bei den anderen wichtigen Herkunftsländern sich
mehrheitlich eine stagnierende Tendenz abzeichnet. Infolge der
Golfkriegsnachwirkungen und der Rezession werden aus den USA weniger Gäste
erwartet. Für die Schweiz positiv zu Buche schlägt hingegen die steigende
Attraktivität von Bergferien aufgrund der Umweltprobleme an einigen
Mittelmeerstränden.
Irene Meier
Die Boden- und Wohnproblematik aus Sicht des Oekonomen
Eine kaum mehr überblickbare Zahl von Vorschlägen und Massnahmen zur "Lösung" der Boden- und Wohnproblematik ist im Verlauf der letzten Jahre der Öffentlichkeit vorgelegt worden. Was in der Diskussion aber fast immer fehlt, ist eine Analyse der auf dem Boden- und Wohnungsmarkt spielenden ökonomischen Mechanismen.
Der langfristige Anpassungsprozess auf dem Boden- und Wohnmarkt
Die stark gestiegenen Preise für Boden und Wohnungen zeigen ökonomisch gesehen nichts anderes an, als dass auf den entsprechenden Märkten Knappheit besteht. Die Nachfrage ist offensichtlich weit stärker gestiegen als das Angebot. Spezifisch für die Bodenproblematik ist, dass es sich beim Boden langfristig gesehen um einen unvermehrbaren Produktionsfaktor handelt. Diese Eigenschaft unterscheidet Boden von anderen Produktionsfaktoren. Die langfristige physische Unvermehrbarkeit ist für die Bodenproblematik in zweifacher Hinsicht zentral: Erstens führt der Umstand, dass wirtschaftliches Wachstum den Bestand an Real- und Humankapital ständig ansteigen lässt, der Bestand an Boden aber unverändert bleibt, gezwungenermassen zu einem steigenden realen Wert des Bodens. Zweitens bedeutet physische Unvermehrbarkeit, dass das Angebot an Boden gesamthaft gesehen unelastisch auf Veränderungen seines Ertrages reagiert. In der Frage der optimalen Besteuerung von Boden ist diese Inelastizität des Bodengesamtangebots ein zentrales Gedankenelement.
Die tendenzielle Verteuerung des Bodens in einer wachsenden Wirtschaft bedeutet auch, dass die relativen Preise derjenigen Güter und Dienstleistungen laufend steigen, die vom Faktor Boden intensiv Gebrauch machen. Das wichtigste Beispiel sind die Kosten des Wohnens. In der langfristigen Perspektive ist deshalb der Anstieg der realen Mieten unumgänglich.
Ein weiterer fundamentaler Aspekt des Bodens ist sein Charakter als Vermögenswert. Wie jeder andere Besitzanspruch, ist er im Prinzip jederzeit veräusserbar. Es ist nun eine grundlegende Gegebenheit wirtschaftlichen Handelns, dass Vermögenswerte -- also auch Bodenbesitz -- nur solange weder veräussert noch zusätzlich gekauft werden, als die darauf erwartete reale Rendite gleich der Rendite auf alternativen Vermögenswerten ist. Angesichts steigender realer Grundrenten muss Renditenarbitrage deshalb notgedrungen zu steigenden realen Bodenpreisen führen; nur durch eine Verteuerung des Bodens als Vermögenswert kann ein Renditenungleichgewicht und damit eine Flucht aus anderen Sachwerten in den Boden vermieden werden.
Die dynamisch Beziehung zwischen zunehmender Bodenknappheit und steigenden Mieten wird dadurch abgeschwächt, dass die Schweiz heute stark in die internationalen Güter- und Kapitalmärkte integriert ist. Das heisst im besonderen, dass die schweizerische Industrie eine Verschlechterung ihrer Kapitalrendite durch steigende Bodenpreise nicht gezwungenermassen in Kauf nehmen muss; sie kann Produktionseinheiten ins Ausland verlegen. Dies verlangsamt das Wachstum der Bodennachfrage in der Schweiz, dämpft dadurch den Anstieg der Bodenpreise und gibt Boden frei für Wohnzwecke.
Da Boden in der Schweiz ein zunehmend knappes Gut ist, muss sein Einsatz in den verschiedenen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Funktionen möglichst sparsam erfolgen. Dieser sparsame Umgang wird nur dann erreicht, wenn die Knappheitsverhältnisse auf den Boden- und Wohnmärkten richtig widerspiegelt werden, d.h. wenn die Preise möglichst frei variieren. Die Ansicht, dass der Anstieg der Bodenpreise auf ein grundsätzliches Versagen des Preismechanismus zurückzuführen ist, ist sicher nicht richtig. Vielmehr erfüllen die entsprechenden Märkte -- trotz vieler den Marktmechanismus beeinträchtigenden staatlichen Interventionen und trotz mangelnder Transparenz -- ihre Allokationsfunktion relativ gut. Sie tun dies, weil ein Grossteil des Bodens in der Schweiz frei handelbares Privateigentum ist, und die Streuung dieses Eigentums in der Regel breit genug ist, um Wettbewerbsverzerrungen in Grenzen zu halten.
Zur Rolle des Staates
Das Recht auf Privateigentum ist aber nicht absolut, sondern kann verfassungsmässig begrenzt werden. Im besonderen kann und soll die Verfassung das Ausmass und die Arten der zulässigen privaten Bodennutzung über die Raumplanung einschränken und zwar deshalb, weil der Boden in gewissen Funktionen -- z.B. als Erholungsraum, oder als Basis für gesellschaftlich erhaltenswürdige, aber wirtschaftlich bedrohte Lebensformen (z.B. die Landwirtschaft) -- die Rolle eines öffentlichen Gutes spielt. Für die Allokation öffentlicher Güter ist der reine Marktmechanismus bekanntlich untauglich.
Neben der Raumplanung fällt dem Staat in der Boden- und Wohnpolitik eine zweite wichtige Rolle zu: Er hat für die soziale Absicherung gegen im Marktprozess erlittene Härtefälle aufzukommen. Das Spiel der Marktkräfte kann -- wenn es ein menschliches Grundbedürfnis wie das Wohnen betrifft -- für wirtschaftlich schwache Randgruppen schwerwiegende Folgen haben. Solange das Prinzip der Solidarität in der schweizerischen Bevölkerung aber einen festen Platz hat, muss dies den Staat veranlassen, den Betroffenen unter die Arme zu greifen. Dabei ist aber wichtig, dass der Staat bei seiner Distributionsfunktion den Allokationsmechanismus der Preise möglichst wenig stört. Aus der Sicht der Ökonomen ist der einzig gangbare Weg die direkte Subjekthilfe, d.h. also beispielsweise Mietzinszuschüsse bei klar definierten Kriterien oder Mietzinsabzüge bei der Einkommenssteuer für sozial Benachteiligte.
Marktschonende Abschöpfungsmechanismen
Ein Hauptproblem bei der Distributionsfunktion des Staates ist die effiziente Mittelbeschaffung. Obschon die entsprechenden Mittel nicht ausschliesslich aus der Besteuerung von Boden- und Immobilieneinkommen kommen müssen, konzentrieren wir uns auf die Grundstückbesteuerung, da in diesem Bereich in der politischen Diskussion grosse Unsicherheit besteht.
Das dabei zur Anwendung kommende ökonomische Prinzip lautet wie folgt: Der Staat sollte seine Steuererhebungen auf die Einkommen derjenigen Produktionsfaktoren konzentrieren, deren Angebot auf Einkommensveränderungen möglichst wenig reagiert. Dies gewährleistet, dass die durch den Markt gesteuerte effiziente Ressourcenverteilung durch die Steuererhebung nur minimal tangiert wird. Aus diesem Grund ist es notwendig, die verschiedenen aus dem Boden- und Wohnbereich resultierenden Einkommensarten nach ihrer wirtschaftlichen Funktion klar voneinander abzugrenzen.
In diesem Sinn muss erstens zwischen Einkommen aus dem Besitz nur von Boden und Einkommen aus dem Besitz von Immobilien unterschieden werden. Immobilien stellen -- wie Maschinen und Lager -- produziertes und ständigen Unterhalt bedürfendes Realkapital dar; im Gegensatz zu Boden hängt das langfristige Angebot an Immobilien somit von der Ersparnis- und Investitionsbereitschaft, d.h von der Kapitalrendite ab. Zweitens muss zwischen zwei verschiedenen Arten von Bodeneinkommen unterschieden werden: Einkommen aus dem Besitz von Boden (der Grundrente) und Einkommen aus dem gewinnbringenden Handel von Boden (Arbitrage oder Spekulation). Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht sind es aus ökonomischer Sicht nicht die Gewinne aus dem Handel, sondern diejenigen aus dem Besitz von Boden, welche der Staat hauptsächlich besteuern sollte. Der Grund dafür ist leicht ersichtlich: Dem einfachen Besitz von Boden entspricht -- im Gegensatz zum Besitz der darauf errichteten Immobilien -- weder eine vergangene, noch eine gegenwärtige oder zukünftige wirtschaftliche Leistung, auch nicht das Tragen von Risiko. Entsprechend reagiert das Angebot an Boden unelastisch auf Veränderungen der Grundrente. Einkommen aus dem Baulandhandel hingegen übt eine Anreizfunktion aus. Dazu genügt es festzustellen, dass Arbitrage den (risikolosen) simultanen Kauf und Verkauf von Boden auf Grund kostspieliger Informationssuche über die bestmögliche Verwendungsmöglichkeit einer Parzelle darstellt; Spekulation andererseits ist das risikobehaftete Abschätzen der zukünftigen Bodenknappheitsverhältnisse. Beides sind volkswirtschaftlich wertvolle, auf Arbeit und/oder Realkapitaleinsatz basierende Leistungen.
Somit drängen sich volkswirtschaftlich folgende Steuerprinzipien auf: Einkommen aus dem Besitz und Handel von Immobilien sowie aus dem Handel von Boden soll wie Einkommen besteuert werden; Einkommen aus dem Besitz von Boden -- d.h. die nach Abzug von Amortisation und marktgängiger Kapitalrendite auf Gebäuden übrigbleibende jährliche Grundrente einer Liegenschaft -- kann überdurchschnittlich besteuert werden. Ein überdurchschnittlicher Besteuerungssatz könnte natürlich leicht als Sozialisierung des Bodens empfunden und als unvereinbar mit einer auf Privateigentum basierenden freien Marktwirtschaft betrachtet werden -- fälschlicherweise, denn Privatbesitz und Handelbarkeit des Bodens würden nicht tangiert. Das ökonomische Argument für eine aggressivere Besteuerung von Grundrenten bleibt in jedem Fall bestehen; eine solche Besteuerung des Bodens würde zudem erlauben, den Steuerfuss auf leistungsbedingtem Einkommen aus Arbeit und Realkapital bei gleichbleibendem Gesamtsteueraufkommen wachstumsfördernd zu senken und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Geldwirtschaftliche Aspekte
Die Boden- und Wohnproblematik hat aber neben der realwirtschaftlichen auch eine monetäre Komponente. Wie bereits angetönt, sind es hauptsächlich Zeiten erhöhter Inflation, die die Wohnproblematik zum öffentlichen "Problem" aufleben lassen. Es gibt zwei Gründe dafür. Der sicherlich wichtigste ist eine verhängnisvolle, spezifisch schweizerische und jeder ökonomischen Logik entbehrende staatliche Marktintervention: die Koppelung des Mietzinses an den Hypothekarzins. Diese Koppelung basiert einerseits auf der Annahme, dass das wichtigste Kostenelement eines Liegenschaftsbesitzers die Zinskosten für seine Hypotheken seien und andererseits, dass Wohnungsmieten nicht höher als "kostendeckend" sein sollten. Beides ist konfus: ersteres vernachlässigt die Tatsache, dass in inflationären Perioden eine Erhöhung der Nominalzinssätze nichts anderes als den Versuch der Kapitalmärkte darstellt, eine Reduktion der Realzinsen zu verhindern. In inflationären Perioden sinken üblicherweise die realen Hypothekarkosten, wie die letzten vier Jahren deutlich zeigen; und letzteres vergisst, dass der Gleichgewichtspreis eines Gutes oder einer Dienstleistung nicht nur vom Angebot (d.h. den Produktionskosten), sondern auch von der Nachfrage abhängt.
Ein ungestört funktionierender Wohnungsmarkt lässt, wenn Angebot und Nachfrage für Wohnungsdienstleistungen gleichförmig wachsen, die Mieten im Gleichschritt mit dem allgemeinen Preisniveau ansteigen (d.h. der reale Mietzins bleibt unverändert); wenn die Nachfrage stärker wächst als das Angebot, steigen die Wohnungsmieten prozentual stärker an als das allgemeine Preisniveau (d.h. das Wohnen wird real teurer), und vice versa bei relativ starkem Angebotswachstum. Im freien Anpassungsprozess auf dem Wohnungsmarkt spielt das nominale Hypothekarzinsniveau keine preisbestimmende Rolle. Werden Mietzins und Hypothekarzins trotzdem künstlich miteinander verkettet, fallen bei einer Erhöhung der Inflationsrate die realen Mietzinsen ständig, was zu einem Nachfrageüberhang führt. Die Verzerrungen zwischen zu tiefen, an den Hypothekarzinssatz gebundenen Altwohnungsmieten und marktkonformen Mieten für Neuwohnungen nehmen zu. Es entsteht die wohlbekannte starke Preissegmentierung des Wohnungsmarktes in Alt- und Neubauwohnungen. Die Folge sind zu tiefe Mieten und Unterbelegung der Altwohnungen und überhöhte Mieten für Neuwohnungen.
Der zweite Grund, weshalb in Zeiten steigender Inflation die Boden- und
Wohnproblematik verschärft wird, liegt darin, dass eine Zunahme der Inflation
das Halten von zinslosen Finanzaktiven verteuert und zu Kapitalverlusten auf
Obligationen und ähnlichen nominalverzinsten Finanzinstrumenten führt. Die
Folge ist eine "Flucht in die Sachwerte", das heisst eine Verlagerung der
Vermögenskomponenten vor allem in Richtung Bodenbesitz. Das führt zu einem zwar
vorübergehenden, aber sehr raschen, über der Inflationsrate liegenden Anstieg
der Bodenpreise.
Dr. Peter Buomberger und Prof. André Burgstaller
Japan: Günstiger Einstieg
Das Geschehen an den internationalen Aktienbörsen hat im Juni an Dynamik gewonnen. Die Kursentwicklungen an den einzelnen Börsenplätzen waren jedoch ebenso unterschiedlich wie die Faktoren, die sie auslösten.
Die aktuellen Wirtschaftsindikatoren in den
USA
lassen ein baldiges Ende
der Rezession erwarten. Von der Zentralbank sind angesichts der besseren
konjunkturellen Lage kaum mehr weitere Zinssenkungen zu erwarten. Der
US-Aktienmarkt hat den Wirtschaftsaufschwung teilweise bereits vorweggenommen.
Seine Bewertung kann nicht als günstig bezeichnet werden. Von möglichen
Währungsgewinnen für ausländische Anleger abgesehen bieten die Aktien einiger
Branchen dennoch überdurchschnittliche Kurschancen (Automobilwirtschaft,
Detailhandel, Ölgesellschaften, Elektrotechnik, Eisenbahnen).
Die
britische
Wirtschaft befindet sich seit längerem in einer Rezession. In
jüngster Zeit drückten zudem enttäuschende Unternehmensgewinne und eine
wachsende Zahl von Bezugsrechtsemissionen auf die Stimmung an der Londoner
Börse. Die nachgebende Inflation ermöglichte anderseits mehrere Zinssenkungen
und lässt eine weitere Abschwächung des Zinsniveaus erwarten. Sofern sich die
Wahlaussichten der konservativen Partei bessern und erste Anzeichen einer
konjunkturellen Wende sichtbar werden, dürfte die Börse wieder nach oben
ausbrechen. Wir setzen dabei insbesondere auf die Pharma- und die
Nahrungsmittelbranche.
In der
Schweiz
hat sich die Konjunktur markant abgeschwächt, während die
Teuerung und das Zinsniveau vorerst noch auf hohem Niveau verharren. Die
Unklarheiten der letzten Zeit über die wirtschaftliche Entwicklung liessen den
Swiss Performance Index (SPI) im zweiten Quartal in einer engen Bandbreite
tendieren. Die Schweizer Börse ist zur Zeit solide bewertet. Dennoch erwarten
wir eine freundliche Börsentendenz, insbesondere bei den Standardwerten ("Blue
Chips"), die vom starken Dollar profitieren: Versicherungen, Pharma- und
Chemietitel, Nahrungsmittelaktien.
Die
deutsche
"Konjunkturlokomotive" hat mit den östlichen Bundesländern
eine schwere Last zu ziehen. Obwohl die Auftragseingänge der ostdeutschen
Industrie erstmals angestiegen sind, dürfte dort die Tahlsohle erst im dritten
Quartal erreicht sein. Gegenwärtig belasten den Aktienmarkt vor allem die
kräftigen Steuererhöhungen ab 1. Juli zur Finanzierung der deutschen Einheit.
Die dadurch steigende Teuerung weckte auch Zinsbefürchtungen und korrigierte
zusammen mit dem Gerichtsurteil, wonach Zinserträge umfassend zu versteuern
sind, die Aktienkurse nach unten. Damit sind deutsche Dividendenpapiere wieder
günstiger bewertet; sie dürften in der zweiten Jahreshälfte leicht aufwärts
tendieren. Wir empfehlen insbesondere Elektro- und Bauwerte sowie
Detailhandelstitel.
Die
japanische
Konjunktur war im ersten Halbjahr ausserordentlich stark.
Die Bank of Japan konnte sich deswegen mit einer Lockerung der restriktiven
Geldpolitik Zeit lassen. Erst als die jüngsten Skandale in den führenden
Brokerhäusern zu einer Überreaktion an der Börse führten, versuchte die
japanische Notenbank, die Börsenkurse durch eine Diskontsatzsenkung zu
stabilisieren. Damit ist der Zeitpunkt für einen Einstieg in den japanischen
Markt gekommen. Gemessen an der Risikoprämie sind japanische Aktien derzeit
unterbewertet. Hier sollten vor allem exportorientierte Elektroniktitel,
Maschinenbauwerte sowie Aktien der Sparten Umweltschutztechnik und
Fabrikautomation bevorzugt werden.
S. Mehlisch
Seitwärtsbewegung
Der seit Anfang 1991 für die meisten Währungen auf den internationalen Geld- und Kapitalmärkten zu beobachtende fallende Zinstrend kam im Juni vorübergehend zum Stillstand. Die grossen Veränderungen fanden nicht bei den Zinssätzen, sondern bei den Wechselkursen statt. Während weitere Leitzinssenkungen ausser in Japan ausblieben, legte der amerikanische Dollar in Erwartung eines Wiedererstarkens der US-Konjunktur sowohl gegenüber dem japanischen Yen als auch gegenüber den europäischen Währungen erneut kräftig zu. Die Schweizer Zinssätze haben sich angesichts der massiven Teuerung und des anhaltend hohen deutschen Zinsniveaus im Juni kaum verändert.
Dollaraufschwung stoppt nur vorübergehend...
Mit den ersten Silberstreifen am nordamerikanischen Konjunkturhorizont ist davon auszugehen, dass die kurzfristigen Dollar-Zinsen den Tiefstpunkt im laufenden Wachstumszyklus erreicht haben. Während die Sätze für Federal Funds seit längerem um 5,75 % oszillieren, liegen jene für Eurosätze mit dreimonatiger Laufzeit bei rund 6,125 %. Auffallend ist die steile Zinsstrukturkurve in Dollaranlagen. Obwohl die kurzfristigen Sätze in den vergangenen Monaten stark gefallen sind, stiegen die Kapitalmarktzinsen zum Teil sogar an. Eine Erklärung dafür ist die viel beschworene internationale Kapitalknappheit. Diese beruht -- mit Ausnahme der gewaltigen deutschen Neuverschuldung -- jedoch lediglich auf wenig sinnvollen Bedarfshochrechnungen. Überdies lassen die jüngsten US-Teuerungszahlen und das voraussichtlich flache nordamerikanische Wachstum kaum auf zunehmende Inflationserwartungen schliessen. Vielmehr sind die Gründe für die hohen langfristigen Zinsen in strukturellen Problemen der Vereinigten Staaten zu suchen. Da die Banken ihre Bilanzen restrukturieren und das Kreditwachstum beschränken, müssen Unternehmen vermehrt auf den Kapitalmarkt ausweichen. Zudem wurden zur Rettung der maroden Sparinstitute in grossem Ausmass Wertpapiere aufgelegt. Diese werden aber von den Investoren nur absorbiert, wenn die Kapitalmarktzinsen im Vergleich zu den kurzfristigen Sätzen so stark steigen, dass eine Substitution von kurzfristigen Anlagen durch längerfristige -- dank höheren Kapitalmarktrenditen -- attraktiv ist.
Am G7-Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure zur Vorbereitung des Wirtschaftsgipfels Mitte Juli in London haben sich die sieben grössten Industrieländer gegen einen allzu starken US-Dollar ausgesprochen und sich darauf geeinigt, dass jedes Land die Zinssätze entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Binnenkonjunktur festlegt.
...Zinsrückgang in Japan...
Die Bank of Japan hat am 1. Juli angesichts des sich auf hohem Niveau leicht abschwächenden Wirtschaftswachstums, der rückläufigen Teuerung und der gedämpften monetären Expansion den Diskontsatz von 6 % auf 5,5 % gesenkt. Zudem dient diese geldpolitische Massnahme der internationalen Koordination zur Verstetigung der wirtschaftlichen Expansion. Auch dürfte die skandalbedingte Schwäche des japanischen Aktienmarktes die Notenbank zu dieser Leitzinssenkung ermutigt haben. In der Folge gingen einerseits die Geldmarktsätze um 50 Basispunkte auf 7,6 % zurück, während andererseits die Aktienkurse kräftig zulegten.
...und in Europa
Die Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar und insbesondere innerhalb des EWS bestimmten in den meisten europäischen Ländern die Geldpolitik mit. Da ein Realignment im EWS -- die spanische Peseta ist gegenwärtig die stärkste, der französische Franc die schwächste Währung -- zur Zeit nicht zur Diskussion steht, mussten die französischen Zinssätze zur Stützung des Franc kräftig angehoben werden, obwohl Frankreichs Wirtschaft eine geldpolitische Lockerung willkommen wäre. In Grossbritannien blieben die Obligationenrenditen trotz fallenden kurzfristigen Zinssätzen, der länger als erwartet andauernden Rezession und zurückgehender Teuerungsrate relativ stabil. In Deutschland fand die teilweise befürchtete Leitzinserhöhung nicht statt, obwohl der Bundesbank der starke Anstieg des US-Dollars missfällt. Das Zinsniveau am D-Mark-Kapitalmarkt blieb im vergangenen Monat trotz der Stärke des US-Dollars und steigenden US-Kapitalmarktrenditen -- bis zur wiederaufgeflammten Diskussion über die Besteuerung der Kapitalerträge Ende Juni -- weitgehend unverändert. Das hohe deutsche Zinsniveau zwang auch alle direkt oder indirekt an die D-Mark gebundenen Währungen zu ähnlich hohen Sätzen.
Flache kurzfistige Zinstruktur am Eurofrankenmarkt
Die Schweizerfranken-Eurosätze mit dreimonatiger Laufzeit, die vor einem Jahr noch deutlich über den entsprechenden deutschen Sätzen lagen, sind hingegen bereits seit einigen Monaten um 1 % tiefer. Dennoch hielt sich der Schweizer Franken gegenüber der D-Mark bisher erstaunlich gut. Die Zinsstruktur am Eurofrankenmarkt verläuft für Anlagen mit bis zu einjähriger Laufzeit flach bei 8 %. Der Semesterultimo verlief spannungsfrei.
Bundesanleihe mit 6,25 %
Die jüngste 6,25 %-Anleihe der Eidgenossenschaft, deren Konditionen teilweise
Erstaunen auslöste, erreichte bei einem Volumen von 302 Mio Franken einen
Emissionspreis von 100 %. Damit liegt sie 40 Basispunkte über dem Monatsmittel
der Durchschnittsrendite der Bundesobligationen, welche in letzter Zeit wieder
leicht anzog. Die Anleger sind vor allem wegen der unvermindert hohen Schweizer
Teuerung immer noch zurückhaltend. Der Basiseffekt der Teuerung, die
allmähliche Wirkung der restriktiven Geldpolitik und das schwache
Wirtschaftswachstum lassen in der zweiten Jahreshälfte jedoch einen fallenden
Inflationstrend erwarten. Für eine analoge Erwartungshaltung der
Marktteilnehmer spricht die stark fallende Zinsstruktur der Swapsätze mit einer
Laufzeit von ein bis zehn Jahren. Die niedrigen langfristigen Realzinssätze
sowie der gemessen an der Kaufkraftparität überbewertete Schweizer Franken,
welcher sich mit Blick auf EG 92 gegenüber den anderen europäischen Währungen
kaum aufwerten dürfte, machen die Schweizer Währung für ausländische Schuldner
äusserst attraktiv. Spiegelbildlich dazu halten sich die Anleger aber eher
zurück.
A. Schlegel
Neuer SBG-Anlagefonds "UBS Capital Invest -- 90/10 SFR"
Die Entwicklung der Finanzmärkte in den letzten Jahren war durch markante Kursausschläge und sehr hohe Volatilitäten geprägt. Viele Anleger möchten deshalb eine klare Begrenzung des Risikos ihrer Investition, in steigenden Aktienmärkten jedoch überproportional profitieren! Mit dem Fonds "UBS Capital Invest - 90/10 SFR" lanciert die SBG ein neues Produkt, das für einen breiten Investorenkreis die erwünschten Eigenschaften aufweist. Festverzinsliche Anlagen werden mit Optionsscheinen in einem attraktiven Verhältnis kombiniert, also Sicherheit mit Risiko.
Der neue Fonds lautet auf die Referenzwährung Schweizerfranken und hat eine feste Laufzeit von 3 Jahren. Damit wird das Wechselkursrisiko minimiert und ein klar definierter Anlagehorizont vorgegeben. 90 % des Vermögens werden in Obligationen und Geldmarktanlagen in SFr. investiert und die Erträge hieraus thesauriert. Anlagepolitisch werden der Diversifikation, der erstklassigen Schuldnerbonität sowie einer den Zinserwartungen angepassten Laufzeitstruktur Priorität beigemessen. Anlageziel ist die Kapitalerhaltung. Das einbezahlte Kapital bleibt nämlich durch den in festverzinslichen Wertpapieren angelegten Teil erhalten, auch wenn sich der Aktienmarkt nach unten entwickelt. Das garantiert grösstmögliche Sicherheit.
10 % des Portfolios werden in Optionsscheinen, hauptsächlich in Warrants auf internationale Aktienindizes angelegt. Index-Warrants sind ein kostengünstiges und flexibles Instrument, um sich in einem Aktienmarkt zu engagieren und gleichzeitig eine optimale internationale Diversifikation zu erreichen.
"UBS Capital Invest -- 90/10 SFR" verbindet in einer interessanten und
einfachen Art die Idee der Anlagesicherheit mit 90 % festverzinslichen Anlagen
in Schweizerfranken und der attraktiven Risikoanlage mit 10% Partizipation an
der internationalen Aktienmarkt-Performance. Dieser Anlagefonds eignet sich
deshalb für einen breiten Investorenkreis, der hohen Wert auf die
Kapitalerhaltung legt, ohne jedoch die Chancen einer günstigen
Aktienmarktentwicklung verpassen zu wollen.
MBL
G-7: Alter Wein in neuen Schläuchen
Da die Bestrebungen der USA, den globalen Zinssenkungsprozess voranzutreiben, im Juni weniger fruchteten -- die Geldmarktsätze in den grossen Industrieländern tendierten mehrheitlich seitwärts --, reflektierte die Entwicklung an den Devisenmärkten über weite Strecken die Ereignisse auf der konjunkturellen Ebene. Im Vordergrund stand dabei die Hoffnung, dass die Rezession in den USA bald überwunden sein werde; eine Erwartungshaltung, die durch zahlreiche positive Konjunkturmeldungen untermauert wurde. Vor diesem Hintergrund kam es zu einem neuen Höhenflug des Dollars, dem sich vor Monatsmitte zehn Notenbanken unter Federführung der Bank von Japan mit wenig Erfolg entgegenstellten. So trafen sich vornehmlich auf Drängen Japans am 23. Juni Vertreter der Siebnergruppe in London zu einer Gesprächsrunde und bekräftigten in einer substanzarmen Erklärung nochmals die bereits Ende April in Washington eingenommene Haltung: die enge Kooperation fortzusetzen und zur Wahrung geordneter Verhältnisse nötigenfalls mittels konzertierter Aktionen im Devisenmarkt einzugreifen. Im übrigen galt die Aufmerksamkeit des Marktes der einseitigen Koppelung der Finnmark an den ECU, den Gerüchten über eine Abwertung und Einbindung der spanischen Peseta in die enge Bandbreite des EWS-Wechselkursmechanismus, dem politischen Tauziehen in Australien (Rücktritt von Finanzminister Keating), den Ereignissen in Jugoslawien, der Quellensteuer-Diskussion in Deutschland und der anfangs Juli erfolgten Diskontsatzsenkung in Japan.
Eindrucksvolle Dollar-Stärke
Kursverlauf $/Fr.: 1.4825 (3. Juni), 1.5655 (18.), 1.5255 (20.), 1.5685 (2. Juli). Der vom Fed verbreitete Konjunkturoptimismus und der auf eine Erholung der US-Wirtschaft hindeutende Datenkranz -- wie die erstmalige Zunahme der Beschäftigung ausserhalb der Landwirtschaft seit Juni 1990, die rückläufigen Anmeldungen für den Bezug von Arbeitslosengeldern, der stärker als erwartet ausgefallene Konjunkturindex der Einkaufsmanager und die kräftige Zunahme der leading indicators -- liessen die Aussichten auf weitere Zinserleichterungen schwinden und trieben den Dollar nach oben. Im Zuge seiner Aufwärtsbewegung erklomm er gegenüber dem Franken das höchste Kursniveau seit 18 Monaten. Temporäre Rückschläge ergaben sich aufgrund von Gewinnmitnahmen, Notenbank-Interventionen, Mutmassungen über eine mögliche Zinserhöhung in Deutschland und der Sorge über allfällige koordinierte Massnahmen der G-7 zur Bremsung des Dollar-Kursanstiegs. Vereinzelte ungünstige Wirtschaftsdaten und die Verlautbarung der Treasury, wonach die USA an einer weiteren Aufwertung des Dollars nicht interessiert seien, wurden vom Markt kaum beachtet und blieben deshalb ohne nachhaltigen Einfluss auf den Aussenwert des Dollars.
D-Mark im Stimmungstief
Kursverlauf $/DM: 1.7385 (3. Juni), 1.8185 (24.), 1.7785 (25.), 1.8305 (2. Juli). DM/Fr.: 85.20 (3. Juni), 86.66 (26.), 85.87 (2. Juli). Die Rehabilitierung der D-Mark (15-Wochenhöchst gegenüber dem Franken) aufgrund des abklingenden Pessimismus gegenüber der ostdeutschen Wirtschaft und der Rückkehr der Bundesbank zur Liquiditätssteuerung via Zinstenderverfahren (= Zinsanstiegspotential beim Tagesgeld) war nicht von Dauer. Hausgemachte Faktoren, die für Kurseinbussen der D-Mark sorgten, waren u.a. die Erkenntnis, dass der Teuerungsstand von 3 % wegen der Erhöhung der indirekten Steuern im Juli nicht gehalten werden kann, erste Defizite in der Handelsbilanz seit 1981, sowie die durch einen Entscheid des Bundesgerichtshofes ausgelöste Furcht vor einer Wiedereinführung der Quellensteuer auf Kapitalerträgen.
Pfund unterhalb seines EWS-Zentralkurses
Kursverlauf £/$: 1.7185 (3. Juni), 1.6065 (18.), 1.6475 (20.), 1.6035 (2. Juli). Befürchtungen, dass das Popularitätstief der Tories die Regierung im Hinblick auf die spätestens im Juli 1992 abzuhaltenden Wahlen zu überhasteten Zinssenkungen veranlassen könnte, sowie die Spaltung der Regierung hinsichtlich der Europapolitik, warfen das Pfund Sterling im EWS zurück. Der Druck auf das Pfund unter den EWS-Mittelkurs von DM 2.95 verstärkte sich auch wegen des Schwächeanfalls der Peseta Mitte Juni, wurde dadurch doch die effektive untere Interventionslimite der £/DM-Cross-Relation nach unten verschoben.
Yen gegenüber Franken auf 19-Mts-Höchst
Kursverlauf $/Yen: 138.25 (3. Juni), 142.00 (13.), 137.65 (28.), 138.75 (2.
Juli). Angesichts des nicht zuletzt wegen schwindender Hoffnungen auf eine
Lockerung der zinspolitischen Daumenschraube wieder nach unten tendierenden
Aktienmarktes wirkte das offizielle Tokio mit verbaler Vehemenz und mit
Dollarverkäufen einer Abschwächung des Yen entgegen. Die resolute Haltung der
Währungsbehörden, steigende Handelsbilanzüberschüsse und Kapitalrepatriierungen
machten den Yen neben dem Dollar zur stärksten Währung. Als die Bank von Japan
am 1. Juli dann doch noch den Diskontsatz von 6 % auf 5,5 % senkte, erzeugte
der offentsichtlich eskomptierte Beschluss keine Kursverluste des Yens mehr.
H. Theiler
Silberhausse am Edelmetallmarkt
Im Juni sorgte Silber für eine vorübergehende Belebung am Edelmetallmarkt. Gegen Monatsmitte zogen die Notierungen kräftig an und überschritten deutlich die 4.50 $/Unze-Grenze. Die plötzliche Hausse war vorwiegend auf eine verstärkte Nachfrage der Photoindustrie zurückzuführen. Dazu beigetragen haben dürfte auch ein Bericht des amerikanischen Silberinstituts in Washington, gemäss welchem sich 1990 erstmals seit 1978 wieder ein Angebotsdefizit in der Höhe von 24,2 Mio Unzen einstellte. Im laufenden Jahr soll dieses weiter auf 32 Mio Unzen steigen. Ein kontinuierlich zunehmender Silberbedarf sei vor allem in der Schmuckindustrie zu verzeichnen. In der zweiten Junihälfte gaben die Silbernotierungen wieder etwas nach, verharrten jedoch deutlich über dem früheren Niveau.
Die Silberhausse strahlte auch auf den Goldmarkt aus. Nachdem der Goldpreis bereits am Ende des Vormonats auf Meldungen über eine verstärkte Nachfrage aus dem Nahen Osten spürbar angezogen hatte, legte er kurz vor Mitte Juni nochmals kräftig zu und bewegte sich zeitweise über der Marke von 370 $/Unze. Anschliessend bröckelten die Notierungen -- teilweise als Folge von Goldverkäufe einzelner Zentralbanken -- wieder ab. Mit der Zuspitzung der politischen Krise in Jugoslawien Ende Juni belebte sich das Interesse am gelben Metall erneut. Die grundlegenden Marktfaktoren haben sich in jüngster Zeit jedoch wenig verändert. Als Folge der zurückhaltenden Kaufbereitschaft der Investoren ist die Goldnachfrage weiterhin vorwiegend vom Bedarf der Schmuckindustrie abhängig, der in der Sommersaison erfahrungsgemäss nachlässt, während das Angebot hauptsächlich vom Devisenbedarf der wichtigsten Produzentenländer bestimmt wird.
Erheblich unter Druck geriet im Juni der Platinpreis. Zeitweise sank er nahezu auf das Niveau der Goldnotierungen. Dem Platinpreis setzte vor allem die Nachricht zu, dass ein japanischer Automobilproduzent künftig für die Herstellung von Katalysatoren anstelle von Platin das bedeutend billigere Palladium verwenden werde. Hinzu kam, dass die Europäische Gemeinschaft wieder von ihrer früheren Bereitschaft, die US-Abgasnormen zu übernehmen, abrückte. Für die Palladiumnotierungen bedeutete die Meldung aus Japan eine Stütze. Sie vermochten jedoch die 100 $/Unze-Grenze nicht zu übersteigen.
Am ... Juli notierte Gold bei XXX.X $/Unze, Silber bei X.XX $/Unze und Platin
bei XXX.X $/Unze.
W. Beckmann